Chorwesen

Zusammenfassung

Unter dem Themenfeld Chorwesen in der DDR wird hier ein Teilbereich der DDR-Musikgeschichte verstanden, welcher die Tätigkeit, die Organisationsstruktur, die Entwicklung und die Bedeutung größerer Vokalensembles aus der DDR, ihr Repertoire sowie das diesen Bereich des kulturellen Lebens betreffende Handeln politischer und gesellschaftlicher Akteur:innen umfasst.1Diese Definition ist angelehnt an: S. Ehrismann: Chorwesen, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011883/2021-12-06/ (23. 6. 2022). Zur Forschungsperspektive des „Musikkulturellen Handelns“ siehe bspw.: A. Kreutziger-Herr: Kulturelles Handeln/Musikkulturelles Handeln, in: dies. und M. Unseld (Hg.): Lexikon Musik und Gender, Kassel u. a. 2010, 320 f. Unter anderem auf Grund der großen Relevanz textgebundener Musik im Kontext des politischen Bestrebens der SED, Kultur zur sozialistischen (Um-)Erziehung der Bevölkerung einzusetzen,2Vgl. G. Dietrich: Kulturgeschichte der DDR. Bd. 1, Göttingen 2018, XXXIII; vgl. M. Tischer: Komponieren für und wider den Staat. Paul Dessau in der DDR, Köln, Weimar und Wien 2009 (= KlangZeiten 6), 62. wurde dem Chorwesen in der DDR staatlicherseits besondere Beachtung und Förderung zuteil.3Vgl. bspw. „Perspektivplan des Chorausschusses der Deutschen Demokratischen Republik für die Entwicklung des Chorwesens im Rahmen des Siebenjahrplanes (1959–1965)“ vom 22. 11. 1959 (sign. Klemm), BArch, DY 43/517, Bl. 224–230. Neben den Berufschören (z. B. Rundfunk- und Opernchöre) gab es in der DDR verschiedene, auf professionellem Level arbeitende Laienchöre (z. B. Berliner Singakademie, Universitätschor Leipzig) sowie etliche Chöre aus dem Bereich des sogenannten volkskünstlerischen Schaffens (z. B. Betriebs- und Schulchöre). Abgesehen von diesen Ensembles staatlicher sowie quasistaatlicher Trägerschaft – neben den offiziell staatlichen Chören wurden auch traditionell privatrechtliche Ensembles (z. B. Singakademien) über die Anbindung an städtische/staatliche Organisationen der politischen Anleitung und Kontrolle unterworfen4So wurde beispielweise die Robert-Franz-Singakademie Halle, die zu den ältesten bürgerlichen Chorvereinigungen in Deutschland zählt, im Jahr 1953 ans Staatliche Sinfonieorchester Halle angeschlossen (vgl. https://www.singakademie-halle.de/singakademie/geschichte/ (7. 7. 2022)). Und auch die 1963 in der Tradition der bürgerlichen Chorvereinigungen neu gegründete Berliner Singakademie war zunächst der Berliner Staatsoper, ab 1970 dem Berliner Haus für Kulturarbeit und ab 1984 dem Schauspielhaus (heute Konzerthaus Berlin) unterstellt (vgl. C. Denz: 50 Jahre Berliner Singakademie. 1963 bis 2013, in: M. Arlt, L. Kaven, L. Klingberg und N. Sander (Hg.): 50 Jahre Berliner Singakademie, Berlin 2013, 26 ff.). Zur Klärung der Frage, welchen Rechtsstatus die verschiedenen Chöre letztlich hatten, bedarf es weiterführender Untersuchungen. – nahm das kirchliche Chorwesen auf Grund der organisatorischen Unabhängigkeit vom Staat eine Sonderrolle ein. Hinsichtlich des professionellen Chorwesens schien seitens der politischen Akteur:innen vornehmlich der Aspekt der (internationalen) Repräsentation handlungsleitend gewesen zu sein, weshalb Vokalwerken stark kanonisierter Komponisten aus dem sogenannten kulturellen Erbe eine zentrale Rolle im Repertoire professioneller Chöre zugewiesen worden ist.5Vgl. bspw. A. Lueken: Geistlich – Weltlich – Ideologisch? Das Repertoire des Leipziger Thomanerchors zwischen 1949 und 1990 im Spiegel der Kultur- und Kirchenpolitik der DDR, unveröffentlichte Masterarbeit, Oldenburg 2016, 48 ff. Bezüglich des volkskünstlerischen Chorwesens schien staatlicherseits der Wunsch zur sozialistischen Erziehung stärker in den Vordergrund gestellt worden zu sein und dementsprechend sollte auch die Programmgestaltung eine politisch-ideologischere Prägung aufweisen.6Vgl. Typoskript „Massensingen und Liedschaffen“ vom 2. 3. 1967 aus dem Bestand des Büros des Ministers für Kultur Klaus Gysi, BArch, DR 1/9837, [o. P.].; vgl. Lehrmaterial „Die Aufgaben der Kommission für kulturelle Massenarbeit und der Kulturorganisatoren“ des FDGB von 1954, auszugsweise abgedruckt in: G. Dietrich: Kulturgeschichte der DDR, Bd. 1, Göttingen 2018, 212. Diese hier lediglich stark verkürzt dargestellten kulturpolitischen Idealvorstellungen deckten sich natürlich nicht zwangsläufig mit der Aufführungspraxis und Entwicklung der einzelnen Chöre sowie dem Selbstverständnis ihrer Mitglieder.

Zur Rolle des Chorwesens in der Kulturpolitik der SED

Sollte Kultur aus der Perspektive der SED unter anderem einen wesentlichen Beitrag zur sozialistischen (Um-)Erziehung der Bevölkerung leisten,7Vgl. G. Dietrich: Kulturgeschichte der DDR, Bd. 1, Göttingen 2018, XXXIII. so ist es nicht verwunderlich, dass textgebundenen Genres sowie den jene Musik interpretierenden Künstler:innen und Ensembles seitens der politischen Akteur:innen in der DDR besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Auf kompositorischer Ebene wurde dieses „Primat des Vokalen“8M. Tischer: Komponieren für und wider den Staat. Paul Dessau in der DDR, Köln, Weimar und Wien 2009 (= KlangZeiten 6), 62. bereits 1948 in einem von Hanns Eisler im Kontext des Prager Kongresses der Komponisten und Musikkritiker verfassten Manifest zur Richtschnur erhoben, seien doch „vokale Formen wie Opern, Oratorien, Kantaten, Chöre, Lieder“9Dieses und die folgenden Zitate: Manifest von Hanns Eisler aus dem Jahr 1948, zit. nach: U. Dibelius und F. Schneider (Hg.): Neue Musik im geteilten Deutschland, [Bd. 1:] Dokumente aus den fünfziger Jahren, Berlin 1993, 69. nach Eisler in besonderem Maße dazu geeignet, die „großen neuen fortschrittlichen Ideen“ zum Ausdruck zu bringen und die Ausbildung eines musikalischen „Nationalcharakters“ zu fördern. Die kulturpolitische Relevanz des Chorwesens resp. von Chören lag unter anderem in der Aufführung von aus staatlicher Perspektive als „fortschrittlich“ geltenden Chorwerken10In einem Schreiben des Leiters der HA Musik der Staatlichen Kunstkommission, Rudolf Hartig, an die Räte der Bezirke vom 9. 4. 1953 heißt es, dass die Bezirke der Frage nach der Aufführung fortschrittlicher Chorwerke „in der nächsten Zeit ihre allergrößte Aufmerksamkeit zuwenden“ sollten. Vgl. BArch, DR 1/24, [o. P.]. sowie in der nach künstlerischer Perfektion strebenden Interpretation von Vokalmusik des sogenannten kulturellen Erbes, was auch der (internationalen) Repräsentation des Landes dienen sollte.11Vgl. A. Lueken: Geistlich – Weltlich – Ideologisch? Das Repertoire des Leipziger Thomanerchors zwischen 1949 und 1990 im Spiegel der Kultur- und Kirchenpolitik der DDR, unveröffentlichte Masterarbeit, Oldenburg 2016, 48 ff. Darüber hinaus wurde dem gemeinsamen Chorgesang das Potential zugesprochen, einen wichtigen Beitrag zur Verwirklichung der angestrebten sozialistischen Erziehung leisten zu können.12Vgl. „Perspektivplan des Chorausschusses der Deutschen Demokratischen Republik für die Entwicklung des Chorwesens im Rahmen des Siebenjahrplanes (1959–1965)“ vom 22. 11. 1959 (sign. Klemm), BArch, DY 43/517, Bl. 225. Zudem brachten beispielsweise die im Rahmen des deutsch-deutschen Kulturaustauschs insbesondere in der späteren DDR-Zeit durchgeführten Auslandsgastspiele musikalischer Ensembles der ostdeutschen Regierung ein nennenswertes Maß an Devisen ein.13Vgl. C. Saehrendt: Kunst als Botschafter einer künstlichen Nation. Studien zur Rolle der bildenden Kunst in der Auswärtigen Kulturpolitik der DDR, Stuttgart 2009, 67.

Hinsichtlich einer Betrachtung des Chorwesens in der DDR ist eine Unterscheidung zwischen Berufs- bzw. professionalisierten Laienchören,14Durch die enorme Förderung und Institutionalisierung der Volkskunst durch die SED-Kulturpolitik kam es dazu, dass die ursprüngliche ‚Kunst des Volkes‘ – und damit auch einige als volkskünstlerische Ensembles gegründete Chöre – an vielen Stellen professionalisiert und zu „einer staatlich geförderten Berufskunst und [Objekt der] wissenschaftlichen Forschung erhoben“ worden ist. Vgl. G. Dietrich: Kulturgeschichte der DDR, Bd. 1, Göttingen 2018, 209. dem Chorwesen im Kontext des sogenannten volkskünstlerischen Schaffens sowie den unter kirchlicher Trägerschaft stehenden Chören sinnvoll. Dies ist darin begründet, dass sich das professionelle Chorwesen sowohl hinsichtlich des zuständigen Verwaltungsbereichs als auch bezüglich der ihm zugedachten kulturpolitischen Funktionen vom volkskünstlerischen Chorwesen unterschied und Kirchenchöre auf Grund der organisatorischen Unabhängigkeit vom Staat eine gesonderte Rolle einnahmen. Im Folgenden werde ich auf diese verschiedenen Bereiche des Chorwesens in der DDR näher eingehen, wobei sowohl die Organisations- und Verwaltungsstrukturen als auch die unterschiedlichen Intentionen der politischen Akteur:innen hinsichtlich der Funktion und Entwicklung des Chorwesens beleuchtet werden. Darüber hinaus wird im Zuge einer späteren Erweiterung dieses Artikels in einer Betrachtung ausgewählter Chöre exemplarisch der Frage nachgegangen, inwieweit sich die zuvor skizzierten (politischen) Idealvorstellungen mit den realen Entwicklungen und den chorischen Alltagspraktiken deckten.

Professionelles Chorwesen

Für die Organisation und Anleitung des professionelleren Chorwesens waren auf den verschiedenen Verwaltungsebenen zumeist gesonderte Abteilungen für Kultur bzw. für Musik federführend zuständig.15Die jeweils zuständigen Abteilungen wurden im zeitlichen Verlauf häufig umbenannt und zudem haben sich auch die Verantwortungsbereiche in der Verwaltung teilweise verschoben, worauf an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll. In übergeordneter Instanz war für das professionellere Chorwesen die Hauptabteilung Musik, später Abteilung Theater, Musik, Veranstaltungswesen, des Ministeriums für Kultur unter Anleitung des stellv. Ministers federführend zuständig. Diese Zuständigkeitseinschätzung begründet sich in einem später offensichtlich bestätigten Beschlussentwurf des damaligen Staatssekretärs Alexander Abusch vom 1. 8. 1958 zur Umstrukturierung des Ministeriums für Kultur (BArch, DR 1/15655, [o. P.]) sowie in der Provenienz das professionelle Chorwesen betreffender Aktenbestände. Vgl. bspw. die Akte „Chöre“ aus dem Bestand der Abt. Musik (BArch, DR 1/232), die Akte „Chorwesen“ der Abt. Musik (BArch, DR 1/234) sowie die Akte „Einschätzungen und Analysen zum Chor- und Liedschaffen“ der Abt. Musik (BArch, DR 1/21000). Zur Anleitung der Abteilung Musik durch den stellv. Minister für Kultur vgl. Dienstanweisung 1/1956 vom 13. Februar 1956 (BArch, DR 1/15664, [o. P.]). Vornehmlich in der frühen DDR-Zeit waren zudem – gerade bei Chören, die an eine bestimmte Bildungseinrichtung gekoppelt waren (z. B. Leipziger Thomanerchor/Dresdner Kreuzchor) – teilweise auch das Ministerium für Volksbildung bzw. die entsprechenden Abteilungen auf untergeordneten Ebenen an der Verwaltungsarbeit beteiligt. Vgl. bspw.: BArch, DR /8269. Obgleich die kulturpolitischen Bestrebungen im Umgang mit professionelleren Chören im Verlauf der Zeit nicht konstant waren und zudem auf Grund teils spezifischer Chortraditionen auch voneinander abweichende Interessen vordergründig waren, scheint der Aspekt der internationalen Repräsentation im Sinne einer künstlerisch hochwertigen Aufführung stark kanonisierter Werke aus dem sogenannten kulturellen Erbe besonders prägend gewesen zu sein, wie eigene Untersuchungen zum Leipziger Thomanerchor ergaben.16Vgl. A. Lueken: Geistlich – Wetlich – Idologisch? Das Repertoire des Leipziger Thomanerchors zwischen 1949 und 1990 im Spiegel der Kultur- und Kirchenpolitik der DDR, unveröffentlichte Masterarbeit, Oldenburg 2016, 48 ff. Eine hierauf aufbauende Dissertation ist in Arbeit. So sollte die „Tätigkeit des Chores mit seiner künstlerischen Leistung […] dazu beitragen, das Ansehen der sozialistischen Musikkultur der DDR in der Welt zu stärken und die entscheidenden Maßstäbe für die Chorarbeit in der DDR selbst zu setzen.“17Aus dem Perspektivpapier „Zur weiteren Entwicklung der Thomasoberschule und des Thomanerchors“ der Abteilung Volksbildung des Rats des Bezirkes Leipzig vom 18. 2. 1972, BArch, MfS, BV Lpz., KD Lpz.-Stadt, Nr. 01768, Bd. 2, Bl. 20. Für die Programmgestaltung im Bereich der Orchestermusik machte die Staatliche Kommission für Kunstangelegenheiten (Stakuko) 1952 den Vorschlag, dass etwa zu 50 % Werke des klassischen Erbes, und jeweils zu 25 % zeitgenössische Musik sowie Musik aus der Sowjetunion und aus den Volksdemokratien berücksichtigt werden sollten.18Vgl. Schreiben von Hartig an die Landesregierungen in Brandenburg, Mecklenburg, Thüringen, Sachsen sowie ans Magistrat Groß-Berlins vom 17. 7. 1952, BArch, DR 1/24, [o. P.]. Diese Vorgaben gleichen weitgehend den politischen Bestrebungen hinsichtlich des Repertoires des Thomanerchors,19Vgl. A. Lueken: Geistlich – Weltlich – Ideologisch? Das Repertoire des Leipziger Thomanerchors zwischen 1949 und 1990 im Spiegel der Kultur- und Kirchenpolitik der DDR, unveröffentlichte Masterarbeit, Oldenburg 2016, 48 ff. sodass sie als ein erster Anhaltspunkt auch für die Programmgestaltung im Bereich des professionellen Chorwesens gelesen werden können. Dass sich diese politischen Repertoirevorstellungen jedoch nicht zwangsläufig mit der realen Programmgestaltung der Chöre deckten und insbesondere die staatlich intendierte Aufführung zeitgenössischer Chormusik, deren Inhalt und Gestalt den kulturpolitischen Vorstellungen entsprach, nicht immer in der gewünschten Häufigkeit umgesetzt worden ist, wird in einem Schreiben des Leiters der Hauptabteilung Musik der Stakuko, Rudolf Hartig, an die Räte der Bezirke aus dem Jahr 1953 deutlich:

„In der letzten Zeit ist von zahlreichen Stellen besonders darüber Klage geführt worden, daß unsere fortschrittlichen Chorwerke und Kantaten zu wenig in der DDR aufgeführt werden. […] Das zeigt eine große Schwäche in unserm Musikleben. Es rührt daher, daß unsere Chöre lieber die älteren klassischen Chorwerke beachten, weil die Mitglieder der Chöre sich nicht mit den fortschrittlichen Gedanken der neuen Chorwerke vertraut machen. Ebenfalls zeigen auch die Chorleiter eine wenig fortschrittliche Einstellung. Unsere Bezirke wollen deshalb dieser Frage in der nächsten Zeit ihre allergrößte Aufmerksamkeit zuwenden. […] Ferner bitten wir, sämtliche schon jetzt aufgestellten Orchesterpläne daraufhin zu überprüfen, ob nicht auch Chorwerke darin aufgenommen werden können. […] Der Einwand, die Aufführungen seien zu schwierig oder erforderten einen zu großen Apparat, kann nicht durchschlagen. Die Bezirke werden sich ein hohes Verdienst erwerben, wenn sie sofort daran gehen, diese Frage zu lösen.“20Rudolf Hartig in einem Brief an die Räte der Bezirke zur „Aufführung großer Chorwerke“ vom 9. 4. 1953, BArch, DR 1/232, [o. P.].

Diese Anweisung Hartigs zeugt nicht nur von der hohen Relevanz des Chorwesens in der Kulturpolitik der SED, vielmehr wird anhand der im Schreiben ebenfalls erwähnten Beispiele ersichtlich, welche Chorwerke zu Beginn der 1950er Jahre als fortschrittlich eingestuft worden sind: es waren u. a. das Mansfelder Oratorium von Ernst Hermann Meyer, die Kantate Eisenkombinat Ost von Ottmar Gerster sowie das Lied von den Wäldern von Dmitri Schostakowitsch.21Vgl. Rudolf Hartig in einem Brief an die Räte der Bezirke zur „Aufführung großer Chorwerke“ vom 9. 4. 1953, BArch, DR 1/232, [o. P.]. Eine Auswahl, die es naheliegend erscheinen lässt, dass kompositorischer Fortschritt aus der Perspektive der kulturpolitischen Akteur:innen in der frühen DDR nicht zwangsläufig anhand des Materials definiert wurde, sondern auch in der politischen Opportunität der vertonten Texte oder der Parteinähe der jeweiligen Komponist:innen begründet war.22Vgl. M. Tischer: Komponieren für und wider den Staat. Paul Dessau in der DDR, Köln, Weimar und Wien 2009 (= KlangZeiten 6), 39. Eine wesentliche kulturpolitische Strategie zur Steigerung des Anteils ‚fortschrittlicher‘ Kompositionen im Repertoire der unterschiedlichen (Vokal-)Ensembles war die Ausschreibung und Vergabe von Kompositionsaufträgen → Auftragswesen).23Vgl. bspw. Auszug aus einem Beschluss des Leipziger Bezirksrats vom 17. 12. 1969 bezüglich der „Grundsätze des staatlichen Auftragswesens“ (sign. Rau), Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 20237, Bezirkstag und Rat des Bezirkes Leipzig, Nr. 8064, Bl. 35.

Bedeutende (professionellere) Chöre aus der DDR waren neben dem Leipziger Thomanerchor der Kreuzchor und der Mozartchor aus Dresden, die Robert Franz Singakademie Halle, das Solistenensemble und der große Chor des Berliner Rundfunks, der große Chor des Studios Leipzig sowie der Gewandhauschor und der Universitätschor Leipzig.24Die Auswahl der Chöre folgt einer Darstellung des Ministeriums für Kultur vermutlich aus den 1950er Jahren. Vgl. BArch, DR 1/232, [o. P.]. Ergänzend ist noch der Rundfunk-Jugendchor Wernigerode zu nennen, der 1951 als FDJ-Chor der Gerhard-Hauptmann-Oberschule gegründet und 1973 in Rundfunk-Jugendchor Wernigerode umbenannt worden ist. Vgl. Broschüre zum 60-jährigen Bestehen des Rundfunk-Jugendchors Wernigerode, https://www.landesgymnasium.de/pdf/Festschrift_reduced.pdf (5. 7. 2022). 1963 wurde zudem – ganz im Zeichen des Ost-West-Konflikts – mit der Berliner Singakademie ein ostdeutsches Pendant zur traditionsreichen, jedoch auf der Westseite angesiedelten Sing-Akademie zu Berlin gegründet.25Vgl. Zeitungsartikel „Konkurrenz für traditionsreiche Sing-Akademie“ aus Die Welt vom 3. 5. 1963, Abschrift sowie weitere Dokumente enthalten in: BArch, DR 1/232, [o. P.]. Zur Geschichte der Berliner Singakademie siehe: M. Arlt, L. Kaven, L. Klingberg und N. Sander (Hg.): 50 Jahre Berliner Singakademie, Berlin 2013. 

Chorwesen im Bereich des sogenannten volkskünstlerischen Schaffens

Hinsichtlich des Chorwesens im Kontext des volkskünstlerischen Schaffens waren Aspekte der Repräsentation weniger bedeutend, vielmehr ging es staatlicherseits darum, „mit Hilfe des Liedes und des Singens zur klassenmäßigen und staatsbürgerlichen Erziehung der Jugend beizutragen und mit einer Verbreitung des Singens ihre Ideale formen zu helfen.“26Dieses und die folgenden Zitate: Typoskript „Massensingen und Liedschaffen“ vom 2. 3. 1967 aus dem Archivbestand des Büros des Ministers für Kultur Klaus Gysi, BArch, DR 1/9837, [o. P.]. Dabei haben aus kulturpolitischer Perspektive „[d]as Lied, die Freude am Gesang […] die besten Möglichkeiten [geboten], das persönliche Erleben des Jugendlichen und seine verschiedenartigsten Wünsche und Vorstellungen mit den Erfordernissen unseres gegenwärtigen Lebens in Übereinstimmung zu bringen. Die Liebe zu unserer Republik, die Herausbildung des Patriotismus und die Festigung des Klassenstandpunkts“ – diese Maximen zu fördern, war das übergeordnete „Ziel […] für die Entwicklung der Chor- und Singebewegung“.

Zur Umsetzung kulturpolitischer Ziele bzw. zur Durchsetzung einer ideologischen Kontrolle im volkskünstlerischen Bereich wurden die verschiedenen Vereine und Gruppen bereits 1949 der kommunalen oder privaten Obhut entzogen und in die verschiedenen Massenorganisationen (FDGB, FDJ, Kulturbund u. a.) eingegliedert. Dabei ging es nicht darum, regionale Besonderheiten aufzuheben, vielmehr sollten „die regionalen Volkskunstgruppen zu einer zentralisierten Massenkulturbewegung aus[geweitet]“27C. Kühn: Die Kunst gehört dem Volke? Volkskunst in der frühen DDR zwischen politischer Lenkung und ästhetischer Praxis, Münster 2015, 71. werden. Die zentrale Anleitung und Koordination oblag ab dem 1. August 1950 dem Referat Laienkunst der Abt. Literatur und Kunst des Ministeriums für Volksbildung. Ab 1952 wurde die zentrale Anleitung der verschiedenen Volkskunstgruppen von dem neu gegründeten Zentralhaus für Laienkunst28Das Zentralhaus für Laienkunst ist aus der 1949 errichteten Zentralstelle für Volkskunst entsprungen und wurde 1954 in Zentralhaus für Volkskunst und 1962 in Zentralhaus für Kulturarbeit der DDR umbenannt. Vgl. L. Klingberg: Bitterfelder Weg, in: L. Klingberg, N. Noeske und M. Tischer (Hg.): Musikgeschichte Online, https://mugo.hfmt-hamburg.de/de/topics/41 (4. 7. 2022). in Leipzig übernommen, welches der Stakuko bzw. ab 1954 dem Ministerium für Kultur unterstand und einen eigenen Bereich für das Chorwesen unterhielt. Das Zentralhaus für Laienkunst war Herausgeber der Zeitschrift Volkskunst, der Mitteilungen des Zentralhauses sowie etlicher Schulungs- und Anleitungsmaterialien für Kulturhäuser und Kulturbeauftragte. Darüber hinaus veranstaltete es Weiterbildungen, Vorträge und Tagungen und war zudem an der Organisation von Ausstellungen, Wettbewerben und Festspielen der Volkskunst maßgeblich beteiligt.29Vgl. G. Dietrich: Kulturgeschichte der DDR, Bd. 1, Göttingen 2018, 206 ff.

Typische Organisationsformen des volkskünstlerischen Schaffens, gerade der frühen 1950er Jahre, waren die sogenannten Volkskunstensembles, die in der Regel eine Instrumentalgruppe, eine Tanzgruppe und einen Chor sowie des Öfteren auch Rezitatoren und einen dramatischen Zirkel umfassten. Diese gemischten Ensembles nach sowjetischem Vorbild entstanden zumeist an Klub- und Kulturhäusern von Großbetrieben, an Hochschulen, Schulen und weiteren Instituten. Hinsichtlich des Repertoires volkskünstlerischer Chöre ist einem FDGB-Lehrmaterial aus dem Jahr 1954 zu entnehmen, dass dieses „1. Arbeiterlieder (Brüder seht die rote Fahne, Lied der Gewerkschaften, Thälmann-Lied). 2. Volkslieder (Das Lieben bringt groß Freud, Heideröslein, Loreley). 3. Lieder des Gegenwartsschaffens (Aufbauwalzer, Ami go home, Freundschaft Einheit Frieden, Rote Sonne). 4. Lieder des kulturellen Erbes (Freiheitschor von Händel, Echolied von di Lasso, An hellen Tagen von Gastoldi). 5. Lieder der Sowjetunion und der Volksdemokratien (z. B. Enthusiastenmarsch, Katjuscha, Lied der Brigadiere, Warschauer Aufbauwalzer)“30Aus dem Lehrmaterial „Die Aufgaben der Kommission für kulturelle Massenarbeit und der Kulturorganisatoren“ des FDGB von 1954, zit. nach: G. Dietrich: Kulturgeschichte der DDR, Bd. 1, Göttingen 2018, 212. enthalten solle.31Vgl. G. Dietrich: Kulturgeschichte der DDR, Bd. 1, Göttingen 2018, 212. Zur Klärung der Frage, inwiefern diese repertoirebezogenen Wunschvorstellungen von den unterschiedlichen Chören tatsächlich umgesetzt worden sind, bedarf es weiterführender Untersuchungen.

Trotz dieser offensichtlichen organisatorischen und auch hinsichtlich der kulturpolitischen Intentionen vollzogenen Trennung zwischen dem professionelleren Chorwesen und jenem im Kontext des volkskünstlerischen Schaffens, war gerade die Auflösung eben dieser strikten Trennung zwischen Hochkultur und Volkskunst im Sinne des sogenannten künstlerischen Schaffens der Arbeiterklasse ein zentrales Anliegen der SED-Kulturpolitik,32Vgl. G. Dietrich: Kulturgeschichte der DDR, Bd. 1, Göttingen 2018, XXXIV. was u. a. in dem als Bitterfelder Weg bezeichneten kulturpolitischen Dogma deutlich wurde (→ Bitterfelder Weg). Ein zentrales Format für den Austausch von professionellen Künstler:innen und volkskünstlerischen Ensembles waren die ab 1959 regelmäßig durchgeführten Arbeiterfestspiele, die vom FDGB initiiert und maßgeblich organisiert wurden.33Vgl. G. Dietrich: Kulturgeschichte der DDR, Bd. 2, Göttingen 2018, 860 ff. 

Kirchliches Chorwesen

Als ein weiterer bedeutender Bereich des Chorwesens in der DDR sind die zahlreichen Chöre aus kirchlichen Kontexten zu nennen. Dazu gehörten neben den verschiedenen Kirchenchören auch die Chöre von Kirchenmusikschulen (u. a. in Halle, Dresden und Greifswald) sowie verschiedene überregionale Chorgemeinschaften (u. a. Dresdner Singkreis, Leipziger Vokalkreis und Meißner Kantorei 1961). Zudem stellten auch kirchlich organisierte Singwochen einen wichtigen Bestandteil des Kirchenmusiklebens in der DDR dar. Zu den besonders renommierten Kirchenchören zählten die St. Johannis-Kantorei in Rostock, der Magdeburger Domchor sowie die Berliner Domkantorei. Die Arbeit dieser Chöre in besonderem Maße geprägt haben die Kantoren Hartwig Eschenburg (Rostock), Günther Hoff (Magdeburg) und Herbert Hildebrandt (Berlin). Im Bereich kirchlicher Knabenchöre sind die von Walter Schönheit formierten Thüringer Sängerknaben aus Saalfeld und die viele Jahre von Konrad Wagner geleiteten Dresdner Kapellknaben zu nennen.34Vgl. C. Brödel: Unter Kreuz, Hammer, Zirkel und Ährenkranz. Kirchenmusik in der DDR, Leipzig 2018, 123–141.

Die Arbeit kirchlicher Chöre war in der DDR von verschiedenen staatlichen Repressionen betroffen, die sowohl regional als auch im zeitlichen Verlauf unterschiedlich stark ausgeprägt waren. In diesem Zusammenhang sind beispielsweise die zum Ende der 1950er Jahre zunehmenden Konflikte um die Mitwirkung staatlicher Orchester bei kirchenmusikalischen Veranstaltungen sowie Schwierigkeiten beim Erhalt von Genehmigungen für grenzüberschreitende Reisen oder für den Druck von Werbematerialien für kirchliche Konzertveranstaltungen erwähnenswert. Obgleich derartige politische Maßnahmen zweifelsohne Einfluss aufs kirchliche Chorwesen hatten, spricht Wolfgang Hanke in der Rückschau von „wirkungslose[n] Behinderungsversuche[n]“, da beispielsweise nichtprofessionelle oder von der staatlichen Weisungsbefugnis unabhängige Klangkörper (u. a. das Dresdner Collegium musicum) die Ausfälle staatlicher Orchester kompensiert hätten und zumindest im Falle der Berliner Domkantorei auch ein Werbeverbot an Litfaßsäulen nicht zu einer Reduktion des Besucherzustroms bei kirchlichen Oratorienaufführungen geführt hätte.35Vgl. W. Hanke: Wirkungslose Behinderungsversuche: Zur Situation der Bach-Pflege in den Kirchen der DDR, in: H.-J. Schulze, U. Leisinger und P. Wollny (Hg.): Passionsmusiken im Umfeld Johann Sebastian Bachs. Bach unter den Diktaturen 1933–1945 und 1945–1989. Bericht über die Wissenschaftliche Konferenz anläßlich des 69. Bach-Festes der Neuen Bachgesellschaft, Leipzig, 29. und 30. März 1994, Hildesheim, Zürich und New York 1995 (= Leipziger Beiträge zur Bach-Forschung 1), 257–267. Für eine fundierte und über Einzelfälle hinausgehende Einschätzung des staatlichen Einflusses auf das kirchliche Chorwesen bedarf es jedoch noch weiterführender Untersuchungen. Dies bezieht sich auch auf die Auswirkungen etwaiger Tätigkeiten inoffizieller und offizieller Mitarbeiter:innen des Ministeriums für Staatssicherheit im Umkreis des kirchlichen Chorwesens.

Komponisten sakraler Chormusik aus der DDR waren unter anderem Johannes Weyrauch (Leipzig), Georg Trexler (Leipzig), Johannes Petzold (Bad Berka/Eisenach), Manfred Schlenker (Stendal/Greifswald) und in der jüngeren Generation Jörg Herchet (Dresden) und Kurt Grahl (Leipzig).36Für eine umfangreiche Auflistung von Komponisten zeitgenössischer Kirchenmusik aus der DDR sowie eine beispielhafte Nennung ihrer Kompositionen siehe: C. Brödel: Unter Kreuz, Hammer, Zirkel und Ährenkranz. Kirchenmusik in der DDR, Leipzig 2018, 165–172. 

Literatur- und Quellenverzeichnis

Literatur

Arlt, Monika, Liane Kaven, Lars Klingberg und Nikolaus Sander (Hg.): 50 Jahre Berliner Singakademie, Berlin 2013.

Brödel, Christfried: Unter Kreuz, Hammer, Zirkel und Ährenkranz. Kirchenmusik in der DDR, Leipzig 2018.

Denz, Carolin: 50 Jahre Berliner Singakademie. 1963 bis 2013, in: M. Arlt, L. Kaven, L. Klingberg und N. Sander (Hg.): 50 Jahre Berliner Singakademie, Berlin 2013, 15–37.

Dietrich, Gerd: Kulturgeschichte der DDR, Bde. 1 und 2, Göttingen 2018.

Dibelius, Ulrich und Frank Schneider (Hg.): Neue Musik im geteilten Deutschland, [Bd. 1:] Dokumente aus den fünfziger Jahren, Berlin 1993.

Hanke, Wolfgang: Wirkungslose Behinderungsversuche: Zur Situation der Bach-Pflege in den Kirchen der DDR, in: H.-J. Schulze, U. Leisinger und P. Wollny (Hg.): Passionsmusiken im Umfeld Johann Sebastian Bachs. Bach unter den Diktaturen 1933–1945 und 1945–1989. Bericht über die Wissenschaftliche Konferenz anläßlich des 69. Bach-Festes der Neuen Bachgesellschaft, Leipzig, 29. und 30. März 1994, Hildesheim, Zürich und New York 1995 (= Leipziger Beiträge zur Bach-Forschung 1), 257–267.

Kreutziger-Herr, Annette: Kulturelles Handeln/Musikkulturelles Handeln, in: dies. und M. Unseld (Hg.): Lexikon Musik und Gender, Kassel u. a. 2010, 320 f.

Kühn, Cornelia: Die Kunst gehört dem Volke? Volkskunst in der frühen DDR zwischen politischer Lenkung und ästhetischer Praxis, Münster 2015.

Lueken, Andreas: Geistlich – Weltlich – Ideologisch? Das Repertoire des Leipziger Thomanerchors zwischen 1949 und 1990 im Spiegel der Kultur- und Kirchenpolitik der DDR, unveröffentlichte Masterarbeit, Oldenburg 2016.

Saehrendt, Christian: Kunst als Botschafter einer künstlichen Nation. Studien zur Rolle der bildenden Kunst in der Auswärtigen Kulturpolitik der DDR, Stuttgart 2009.

Tischer, Matthias: Komponieren für und wider den Staat. Paul Dessau in der DDR, Köln, Weimar und Wien 2009 (= KlangZeiten 6).

Internetquellen

Broschüre zum 60-jährigen Bestehen des Rundfunk-Jugendchors Wernigerode, https://www.landesgymnasium.de/pdf/Festschrift_reduced.pdf (5. 7. 2022).

Ehrismann, Sibylle: Chorwesen, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011883/2021-12-06/ (23. 6. 2022).

Klingberg, Lars: Bitterfelder Weg, in: L. Klingberg, N. Noeske und M. Tischer (Hg.): Musikgeschichte Online, https://mugo.hfmt-hamburg.de/de/topics/41 (4. 7. 2022).

Kurzdarstellung zur Geschichte der Robert-Franz-Singakademie Halle, https://www.singakademie-halle.de/singakademie/geschichte/ (7. 7. 2022).

Archivquellen

BArch, DR 1/24.

BArch, DR 1/232.

BArch, DR 1/234.

BArch, DR 1/9837.

BArch, DR 1/15655.

BArch, DR 1/15664.

BArch, DR 1/21000.

BArch, DR 2/8269.

BArch, DY 43/517.

BArch, MfS, BV Lpz., KD Lpz.-Stadt, Nr. 01768, Bd. 2.

Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 20237, Bezirkstag und Rat des Bezirkes Leipzig, Nr. 8064.

StadtAL StVuR Nr. 8533.

Anmerkungen

  1. Diese Definition ist angelehnt an: S. Ehrismann: Chorwesen, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011883/2021-12-06/ (23. 6. 2022). Zur Forschungsperspektive des „Musikkulturellen Handelns“ siehe bspw.: A. Kreutziger-Herr: Kulturelles Handeln/Musikkulturelles Handeln, in: dies. und M. Unseld (Hg.): Lexikon Musik und Gender, Kassel u. a. 2010, 320 f.
  2. Vgl. G. Dietrich: Kulturgeschichte der DDR. Bd. 1, Göttingen 2018, XXXIII; vgl. M. Tischer: Komponieren für und wider den Staat. Paul Dessau in der DDR, Köln, Weimar und Wien 2009 (= KlangZeiten 6), 62.
  3. Vgl. bspw. „Perspektivplan des Chorausschusses der Deutschen Demokratischen Republik für die Entwicklung des Chorwesens im Rahmen des Siebenjahrplanes (1959–1965)“ vom 22. 11. 1959 (sign. Klemm), BArch, DY 43/517, Bl. 224–230.
  4. So wurde beispielweise die Robert-Franz-Singakademie Halle, die zu den ältesten bürgerlichen Chorvereinigungen in Deutschland zählt, im Jahr 1953 ans Staatliche Sinfonieorchester Halle angeschlossen (vgl. https://www.singakademie-halle.de/singakademie/geschichte/ (7. 7. 2022)). Und auch die 1963 in der Tradition der bürgerlichen Chorvereinigungen neu gegründete Berliner Singakademie war zunächst der Berliner Staatsoper, ab 1970 dem Berliner Haus für Kulturarbeit und ab 1984 dem Schauspielhaus (heute Konzerthaus Berlin) unterstellt (vgl. C. Denz: 50 Jahre Berliner Singakademie. 1963 bis 2013, in: M. Arlt, L. Kaven, L. Klingberg und N. Sander (Hg.): 50 Jahre Berliner Singakademie, Berlin 2013, 26 ff.). Zur Klärung der Frage, welchen Rechtsstatus die verschiedenen Chöre letztlich hatten, bedarf es weiterführender Untersuchungen.
  5. Vgl. bspw. A. Lueken: Geistlich – Weltlich – Ideologisch? Das Repertoire des Leipziger Thomanerchors zwischen 1949 und 1990 im Spiegel der Kultur- und Kirchenpolitik der DDR, unveröffentlichte Masterarbeit, Oldenburg 2016, 48 ff.
  6. Vgl. Typoskript „Massensingen und Liedschaffen“ vom 2. 3. 1967 aus dem Bestand des Büros des Ministers für Kultur Klaus Gysi, BArch, DR 1/9837, [o. P.].; vgl. Lehrmaterial „Die Aufgaben der Kommission für kulturelle Massenarbeit und der Kulturorganisatoren“ des FDGB von 1954, auszugsweise abgedruckt in: G. Dietrich: Kulturgeschichte der DDR, Bd. 1, Göttingen 2018, 212.
  7. Vgl. G. Dietrich: Kulturgeschichte der DDR, Bd. 1, Göttingen 2018, XXXIII.
  8. M. Tischer: Komponieren für und wider den Staat. Paul Dessau in der DDR, Köln, Weimar und Wien 2009 (= KlangZeiten 6), 62.
  9. Dieses und die folgenden Zitate: Manifest von Hanns Eisler aus dem Jahr 1948, zit. nach: U. Dibelius und F. Schneider (Hg.): Neue Musik im geteilten Deutschland, [Bd. 1:] Dokumente aus den fünfziger Jahren, Berlin 1993, 69.
  10. In einem Schreiben des Leiters der HA Musik der Staatlichen Kunstkommission, Rudolf Hartig, an die Räte der Bezirke vom 9. 4. 1953 heißt es, dass die Bezirke der Frage nach der Aufführung fortschrittlicher Chorwerke „in der nächsten Zeit ihre allergrößte Aufmerksamkeit zuwenden“ sollten. Vgl. BArch, DR 1/24, [o. P.].
  11. Vgl. A. Lueken: Geistlich – Weltlich – Ideologisch? Das Repertoire des Leipziger Thomanerchors zwischen 1949 und 1990 im Spiegel der Kultur- und Kirchenpolitik der DDR, unveröffentlichte Masterarbeit, Oldenburg 2016, 48 ff.
  12. Vgl. „Perspektivplan des Chorausschusses der Deutschen Demokratischen Republik für die Entwicklung des Chorwesens im Rahmen des Siebenjahrplanes (1959–1965)“ vom 22. 11. 1959 (sign. Klemm), BArch, DY 43/517, Bl. 225.
  13. Vgl. C. Saehrendt: Kunst als Botschafter einer künstlichen Nation. Studien zur Rolle der bildenden Kunst in der Auswärtigen Kulturpolitik der DDR, Stuttgart 2009, 67.
  14. Durch die enorme Förderung und Institutionalisierung der Volkskunst durch die SED-Kulturpolitik kam es dazu, dass die ursprüngliche ‚Kunst des Volkes‘ – und damit auch einige als volkskünstlerische Ensembles gegründete Chöre – an vielen Stellen professionalisiert und zu „einer staatlich geförderten Berufskunst und [Objekt der] wissenschaftlichen Forschung erhoben“ worden ist. Vgl. G. Dietrich: Kulturgeschichte der DDR, Bd. 1, Göttingen 2018, 209.
  15. Die jeweils zuständigen Abteilungen wurden im zeitlichen Verlauf häufig umbenannt und zudem haben sich auch die Verantwortungsbereiche in der Verwaltung teilweise verschoben, worauf an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll. In übergeordneter Instanz war für das professionellere Chorwesen die Hauptabteilung Musik, später Abteilung Theater, Musik, Veranstaltungswesen, des Ministeriums für Kultur unter Anleitung des stellv. Ministers federführend zuständig. Diese Zuständigkeitseinschätzung begründet sich in einem später offensichtlich bestätigten Beschlussentwurf des damaligen Staatssekretärs Alexander Abusch vom 1. 8. 1958 zur Umstrukturierung des Ministeriums für Kultur (BArch, DR 1/15655, [o. P.]) sowie in der Provenienz das professionelle Chorwesen betreffender Aktenbestände. Vgl. bspw. die Akte „Chöre“ aus dem Bestand der Abt. Musik (BArch, DR 1/232), die Akte „Chorwesen“ der Abt. Musik (BArch, DR 1/234) sowie die Akte „Einschätzungen und Analysen zum Chor- und Liedschaffen“ der Abt. Musik (BArch, DR 1/21000). Zur Anleitung der Abteilung Musik durch den stellv. Minister für Kultur vgl. Dienstanweisung 1/1956 vom 13. Februar 1956 (BArch, DR 1/15664, [o. P.]). Vornehmlich in der frühen DDR-Zeit waren zudem – gerade bei Chören, die an eine bestimmte Bildungseinrichtung gekoppelt waren (z. B. Leipziger Thomanerchor/Dresdner Kreuzchor) – teilweise auch das Ministerium für Volksbildung bzw. die entsprechenden Abteilungen auf untergeordneten Ebenen an der Verwaltungsarbeit beteiligt. Vgl. bspw.: BArch, DR /8269.
  16. Vgl. A. Lueken: Geistlich – Wetlich – Idologisch? Das Repertoire des Leipziger Thomanerchors zwischen 1949 und 1990 im Spiegel der Kultur- und Kirchenpolitik der DDR, unveröffentlichte Masterarbeit, Oldenburg 2016, 48 ff. Eine hierauf aufbauende Dissertation ist in Arbeit.
  17. Aus dem Perspektivpapier „Zur weiteren Entwicklung der Thomasoberschule und des Thomanerchors“ der Abteilung Volksbildung des Rats des Bezirkes Leipzig vom 18. 2. 1972, BArch, MfS, BV Lpz., KD Lpz.-Stadt, Nr. 01768, Bd. 2, Bl. 20.
  18. Vgl. Schreiben von Hartig an die Landesregierungen in Brandenburg, Mecklenburg, Thüringen, Sachsen sowie ans Magistrat Groß-Berlins vom 17. 7. 1952, BArch, DR 1/24, [o. P.].
  19. Vgl. A. Lueken: Geistlich – Weltlich – Ideologisch? Das Repertoire des Leipziger Thomanerchors zwischen 1949 und 1990 im Spiegel der Kultur- und Kirchenpolitik der DDR, unveröffentlichte Masterarbeit, Oldenburg 2016, 48 ff.
  20. Rudolf Hartig in einem Brief an die Räte der Bezirke zur „Aufführung großer Chorwerke“ vom 9. 4. 1953, BArch, DR 1/232, [o. P.].
  21. Vgl. Rudolf Hartig in einem Brief an die Räte der Bezirke zur „Aufführung großer Chorwerke“ vom 9. 4. 1953, BArch, DR 1/232, [o. P.].
  22. Vgl. M. Tischer: Komponieren für und wider den Staat. Paul Dessau in der DDR, Köln, Weimar und Wien 2009 (= KlangZeiten 6), 39.
  23. Vgl. bspw. Auszug aus einem Beschluss des Leipziger Bezirksrats vom 17. 12. 1969 bezüglich der „Grundsätze des staatlichen Auftragswesens“ (sign. Rau), Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 20237, Bezirkstag und Rat des Bezirkes Leipzig, Nr. 8064, Bl. 35.
  24. Die Auswahl der Chöre folgt einer Darstellung des Ministeriums für Kultur vermutlich aus den 1950er Jahren. Vgl. BArch, DR 1/232, [o. P.]. Ergänzend ist noch der Rundfunk-Jugendchor Wernigerode zu nennen, der 1951 als FDJ-Chor der Gerhard-Hauptmann-Oberschule gegründet und 1973 in Rundfunk-Jugendchor Wernigerode umbenannt worden ist. Vgl. Broschüre zum 60-jährigen Bestehen des Rundfunk-Jugendchors Wernigerode, https://www.landesgymnasium.de/pdf/Festschrift_reduced.pdf (5. 7. 2022).
  25. Vgl. Zeitungsartikel „Konkurrenz für traditionsreiche Sing-Akademie“ aus Die Welt vom 3. 5. 1963, Abschrift sowie weitere Dokumente enthalten in: BArch, DR 1/232, [o. P.]. Zur Geschichte der Berliner Singakademie siehe: M. Arlt, L. Kaven, L. Klingberg und N. Sander (Hg.): 50 Jahre Berliner Singakademie, Berlin 2013.
  26. Dieses und die folgenden Zitate: Typoskript „Massensingen und Liedschaffen“ vom 2. 3. 1967 aus dem Archivbestand des Büros des Ministers für Kultur Klaus Gysi, BArch, DR 1/9837, [o. P.].
  27. C. Kühn: Die Kunst gehört dem Volke? Volkskunst in der frühen DDR zwischen politischer Lenkung und ästhetischer Praxis, Münster 2015, 71.
  28. Das Zentralhaus für Laienkunst ist aus der 1949 errichteten Zentralstelle für Volkskunst entsprungen und wurde 1954 in Zentralhaus für Volkskunst und 1962 in Zentralhaus für Kulturarbeit der DDR umbenannt. Vgl. L. Klingberg: Bitterfelder Weg, in: L. Klingberg, N. Noeske und M. Tischer (Hg.): Musikgeschichte Online, https://mugo.hfmt-hamburg.de/de/topics/41 (4. 7. 2022).
  29. Vgl. G. Dietrich: Kulturgeschichte der DDR, Bd. 1, Göttingen 2018, 206 ff.
  30. Aus dem Lehrmaterial „Die Aufgaben der Kommission für kulturelle Massenarbeit und der Kulturorganisatoren“ des FDGB von 1954, zit. nach: G. Dietrich: Kulturgeschichte der DDR, Bd. 1, Göttingen 2018, 212.
  31. Vgl. G. Dietrich: Kulturgeschichte der DDR, Bd. 1, Göttingen 2018, 212.
  32. Vgl. G. Dietrich: Kulturgeschichte der DDR, Bd. 1, Göttingen 2018, XXXIV.
  33. Vgl. G. Dietrich: Kulturgeschichte der DDR, Bd. 2, Göttingen 2018, 860 ff.
  34. Vgl. C. Brödel: Unter Kreuz, Hammer, Zirkel und Ährenkranz. Kirchenmusik in der DDR, Leipzig 2018, 123–141.
  35. Vgl. W. Hanke: Wirkungslose Behinderungsversuche: Zur Situation der Bach-Pflege in den Kirchen der DDR, in: H.-J. Schulze, U. Leisinger und P. Wollny (Hg.): Passionsmusiken im Umfeld Johann Sebastian Bachs. Bach unter den Diktaturen 1933–1945 und 1945–1989. Bericht über die Wissenschaftliche Konferenz anläßlich des 69. Bach-Festes der Neuen Bachgesellschaft, Leipzig, 29. und 30. März 1994, Hildesheim, Zürich und New York 1995 (= Leipziger Beiträge zur Bach-Forschung 1), 257–267.
  36. Für eine umfangreiche Auflistung von Komponisten zeitgenössischer Kirchenmusik aus der DDR sowie eine beispielhafte Nennung ihrer Kompositionen siehe: C. Brödel: Unter Kreuz, Hammer, Zirkel und Ährenkranz. Kirchenmusik in der DDR, Leipzig 2018, 165–172.

Autor:innen

Zitierempfehlung

Andreas Lueken, Artikel „Chorwesen“, in: Musikgeschichte Online, hg. von Lars Klingberg, Nina Noeske und Matthias Tischer, 2018ff. zuerst veröffentlicht am 15.11.2022, Stand vom 22.11.2022, online verfügbar unter https://mugo.hfm-weimar.de/de/topics/chorwesen-folgt, zuletzt abgerufen am 21.12.2024.