Jörg Herchet
(Komponist, geb. 1943)
Das Gespräch fand am 9. September 2003 in Herchets Arbeitszimmer in seinem Hause nahe Dresden statt.
MT (Matthias Tischer): Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie anfangen, mir zu berichten, wie Sie Paul Dessau kennengelernt haben.
JH (Jörg Herchet): Wenn Sie erlauben, würde ich da doch etwas weiter ausholen, weil es doch eine längere Geschichte ist. Ich hab in Dresden angefangen zu studieren, aber der erste Lehrer, Johannes Paul Thilman, das ging nicht so sehr gut. Nach einer längeren Krankheit kam ich dann zu Manfred Weiss, von ihm wurde ich dann sozusagen strafversetzt wegen einer Komposition zu Franz Kafka mit einem Text von Günter Kunert,Gemeint ist interfragmentarium zum werk von franz k. für Klavier und alt (Günter Kunert; 1965). Vgl. das Werkverzeichnis bei Christoph Sramek: „die töne haben mich geblendet“. Festschrift zum 60. Geburtstag des Dresdener Komponisten Jörg Herchet, Altenburg 2003, 311–322. kam zu Karl-Rudi Griesbach, und das war dann für mich ideologiemäßig, politisch extrem schwierig, die Situation in Dresden. Ich bin dann nach Berlin gegangen und kam vom Regen in die Traufe: Rudolf Wagner-Régeny wurde schnell krank, ich kam dann zu Wolfgang Hohensee, und da gab es furchtbar harte Auseinandersetzungen. Die letzten zwei Jahre habe ich kaum noch Studium gehabt, und am Schluß dann auch kein Examen bekommen, weil meine Arbeiten eines sozialistischen Komponisten unwürdig seien. Können Sie alles ja nachlesen.Vgl. Christoph Sramek: „die töne haben mich geblendet“. Festschrift zum 60. Geburtstag des Dresdener Komponisten Jörg Herchet, Altenburg 2003. Das war also die Ausgangssituation. Es gab dann ein letztes Gespräch mit der Hochschulleitung, wie gesagt, wurde vor allem meine Diplomarbeit, Die Bedeutung der musiktheoretischen Schriften Schönbergs und Hindemiths für den Aufbau einer Kompositionslehre, radikal abgelehnt, weil eine Kompositionslehre doch nicht zu Pierre Boulez führen dürfe, sondern zu Hanns Eisler hinführen müsse. Und dann wurde mir gesagt, ich könne weiterstudieren, aber die ganze Hochschule war für mich so schrecklich geworden, weil ich sicher den Fehler gemacht habe, daß ich mich, sagen wir, so gegen diese Ideologie gestellt habe und sagte, das kann ich alles nicht tun. Wie gesagt, ich ging dann in den Buchhandel, und das war der auslösende Punkt: Paul-Heinz Dittrich war damals noch Dozent [an der Berliner Musikhochschule], und hatte dieses Gespräch mit dem Rektor, mit den anderen Personen der Hochschule mitgehört und Paul Dessau davon nachher berichtet. Daraufhin kam nach der Art von Paul Dessau so ein kleiner Brief: „Jederzeit für Sie bereit. Dessau“ Und dann hab ich Kontakt aufgenommen und bin am 5. September, das weiß ich noch genau, 1968 war das, zu ihm gefahren mit fünf Mark in der Tasche; das war alles, was ich überhaupt hatte (per Autobahn, mußte dann in der Nacht noch furchtbar lange stehen, weil mich niemand mitgenommen hat nach Dresden zurück). Dann kam ich zu Dessau und muß ehrlich gestehen, daß ich alles andere als freundlich zu ihm war. Die Ruth Zechlin, bei der ich auch mal kurzzeitig Unterricht hatte, hatte mir schon gesagt: „Ich würde Sie ja mal mit Dessau bekannt machen, wissen Sie, Sie sind so kirchlich engagiert, ich glaube Dessau schmeißt Sie raus, das hat überhaupt keinen Zweck.“ Insofern, als ich zu Dessau kam – ich hatte gerade das Examen und war abgelehnt, ich war zuhause und wie gesagt, fünf Mark war das letzte, was ich überhaupt noch hatte – ich war so perplex durch die ganzen Sachen und war völlig auf mich allein gestellt. Ich war in den Buchhandel gegangen für 330 Mark im Monat. Na ja, und jedenfalls kam ich mit dieser Haltung zu Dessau, daß mir’s wirklich egal war, ich wollte nichts von ihm, überhaupt nichts, und genau das habe ich ihm gesagt. Und das hat mich im Nachhinein ganz besonders beeindruckt: Dessau war unerhört sachlich, außerordentlich freundlich.
Warum er mir gegenüber immer so freundlich war? Ich habe ihn auch von einer anderen Seite erlebt: Da kam ein kubanischer Komponist (es war ein Übersetzer dabei): „Ja Herr Professor, Herr Professor …“. Dessau schrie ihn dann plötzlich an: „Sag nicht Professor zu mir, ich bin kein Professor, sonst schmeiße ich Sie raus!“ Er konnte, ich hab ihn auch in solchen Situationen erlebt, sehr unangenehm und sehr fatal sein. Ich weiß nicht, warum er mir gegenüber von Anfang an bis zum letzten Augenblick immer äußerst freundlich und vorsichtig, aber auch sehr klar und sehr sachlich war. Er sah sich meine Kompositionen an …
MT: Was war das damals, was Sie ihm gezeigt haben?
JH: Ich habe alles gezeigt, was ich in der Hochschule gemacht habe, in den fünf Jahren des Studiums. Das fing an mit einem Streichquartett. Den ersten Satz hatte mein damaliger Lehrer Manfred Weiss sehr gelobt (ging so in Richtung Hindemith), mir gefiel es dann gar nicht, und der zweite Satz, den fand ich interessant, und zu dem hatte der damalige Lehrer gesagt: „Nee, das ist nicht gut.“ Und ich erzähle das insofern, als Dessau sämtliche Stücke, die ich mithatte – das war dieses Streichquartett, dann eine Kantate nach Worten von Brecht und eine Hölderlin-Kantate …komposition für alt, tenor und orchester nach johann christian friedrich hölderlin (Mnemosyne) aus dem Jahr 1967. Dessau ist wirklich mit, will fast sagen nachtwandlerischer Sicherheit, die Stücke durchgegangen (wissen Sie, als Student macht man manches, was man als Aufgabe kriegt und man hat, also ich jedenfalls bin Spätentwickler, hab noch lange nicht gewußt, so will ich komponieren, sondern man macht mal dies, man macht mal das. Und hinterher habe ich natürlich auch gemerkt, „nö, so machst Du nicht weiter, interessiert dich nicht.“) Und Dessau (ohne, daß ich was gesagt habe. Wenn ich solche Stücke vorgelegt habe, war’s immer auch eine Prüfung für mich: „Was soll ich von dem Mann halten? Wie steht er zu diesen Werken?“) hat mit absoluter Sicherheit für alle die Stücke ein achtenswertes Wort gefunden, die ich auch gut fand. Zumindest wo ich sagte: „Oh, hier hab ich mein Herzblut gegeben“, wenn ich diesen Ausdruck gebrauchen darf. Wirklich bei dem Streichquartett, den ersten Satz blätterte er durch, sagte überhaut kein Wort, und den zweiten Satz las er aufmerksam und sagte: „Den sollten Sie spielen lassen!“ Also nur so ein Wort, keine großen Lobeshymnen. Und das war bei allen Stücken so. Alles, was ich inzwischen auch gut fand oder zumindest „ach, hier das ist Dein Weg“, hatte er sofort ein sachlich-nüchternes zurückhaltendes, freundliches Wort. Es ist natürlich klar, daß ich da sofort sehr berührt war. Es war so nüchtern-sachlich, es ging nicht um ideologische Fragen, ob man das machen kann oder nicht. Ich hatte sieben Kompositionslehrer im Studium, und ich hab dann mitunter solche Sachen gehört, daß der eine Lehrer sagt: „Oh, das ist ja ganz großartig!“, und der andere sagt: „Werfen Sie das raus, das ist völlig nichts!“ Solche extremen Urteile! Ich stimmte, wenn ich meine Arbeiten selber einschätzte, mit Dessau (was vielleicht jetzt nicht veröffentlichenswert ist, aber so, daß ich es selber akzeptieren konnte) völlig überein, aber hundertprozentig! Das hat mich, muß ich schon sagen, tief beeindruckt.
Vielleicht auch noch eine andere Kleinigkeit, die, so nebensächlich sie war, hat mich auch tief beeindruckte: Dessau sah sich ein paar Noten von mir an, und da kam sein großer Hund gesprungen, und die Seite riß vielleicht um zwei, drei Zentimeter ein. Und Dessau entschuldigt sich außerordentlich wortreich. Und als ich dann sagte, „das war ja nichts (es waren natürlich meine Noten), kein Problem“, da sah er mich ganz erstaunt an und sagte: „Aber, das ist doch Ihre Arbeit!“ Also vor einer Arbeit (so hab ich ihn auch immer kennengelernt), das war einfach Arbeit, für ihn waren die Stücke gearbeitet wie auch immer, und das erforderte einfach Achtung. Diesen ganz elementaren Respekt, den ich, ganz ehrlich gesagt, total und hundertprozentig in der Hochschule vermißt habe, den hatte er von Anfang an.
Es kann sein, daß ich Ihnen jetzt ein Bild von Dessau gebe, das ein bißchen abweicht von dem, was andere haben. Denn ich glaube, Dessau war sehr kameradschaftlich. Und in dem Punkt war er mir gegenüber relativ zurückhaltend. Nicht, daß er unfreundlich gewesen wäre, aber er war sehr vorsichtig, weil er merkte, ich war sehr verletzt, sehr einzelgängerisch. Er hat mich sehr behutsam behandelt, würde ich heute sagen, nachblickend. Und ich glaube, so im Umgang mit anderen war er vielleicht sehr viel offener. Sehr viel direkter, auch kritischer, auch härter, würde ich denken. Mit Friedrich Goldmann, Luigi Nono, Henze, Winfried Jentzsch, Friedrich Schenker, ja wenn Sie das Buch von Schenker sehen,Stefan Amzoll (Hg.): Landschaft für Schenker, Berlin 2002. übrigens das schöne Buch, da könnte man fast neidisch werden über diese direkte, sehr im positiven Sinne, kumpelhafte Art des Umgangs miteinander. Also, das war ich nie. Und das hat auch Dessau nie … Deswegen war er, glaube ich, zu mir etwas anders, als zu den anderen. Einfach weil er als älterer Mensch war (ich glaub, er war 75 als ich ihn kennenlernte), hatte er, abgesehen von aller anderen Größe, die pädagogische Größe zu sehen, „oh, den läßt Du am besten so wie er ist, sagst wenig, sagst sehr sachliche Sachen, nüchterne Sachen, und dann sorgste dafür (das war ein gutes Konzept von ihm, auch gegenüber anderen), daß er in Ruhe gelassen wird.“ Ja, diese erste Begegnung verlief wirklich sehr schön, übrigens auch kritisch, und das hat mir gar nichts ausgemacht. Ich erinnere mich an diese Mnemosyme-Komposition nach Hölderlin. Die waren immer wütend an der Hochschule, weil ich die ganze Zeit in den Ferien dazu benützte, große Kompositionen zu schreiben, und da kam ich nach den Ferien und dann: „Jetzt sind Sie fertig, ich kann nichts mehr sagen, wir können nicht mehr diskutieren“, und das waren meistens Sachen, die auch ideologisch nicht so angenehm waren. Und deswegen gab’s dann Differenzen. Wagner-Régeny hat gesagt: „Sie, das ist ja chaotisch und illustrativ!“ Und da war ich natürlich schon verletzt und habe gesagt, „das ist Quatsch“. Und dann kam ich zu Rudolf Wagner-Régeny nach Hause (dieses Urteil war wirklich Quatsch), ich hatte mich zum ersten Mal sehr intensiv mit Zwölftontechnik auseinandergesetzt, und dann sagte er: „Das ist ja überkonstruktiv!“ Und ich hab ihn dann erzürnt, weil ich die Reihe durch sieben geteilt hatte, die er mit mir noch gar nicht gearbeitet hatte, und zwischen solchen Urteilen, „chaotisch“ und „illustrativ“, ging das hin und her. Als ich Dessau das zeigte und erzählte, sagte er: „Ach, der Rudi, der Rudi!“; und dann sagte er bloß: „Ach, wissen Sie, wenn Sie hier die Zwölftonreihe so kanonisch abspulen – nicht sehr kunstvoll.“ Und das war wundervoll, das hab ich sofort gesehen, das war völlig richtig. Das ist nicht Kunst, wenn ich eine Reihe nach der anderen jeden Ton nacheinander ablaufen lasse. Solche praktische Sachen kamen von Dessau, wo ich hellauf begeistert war. Wissen Sie, wenn mir jemand sagt: „chaotisch“ und „illustrativ“, und ich weiß genau, das ist nicht so, oder „überkonstruktiv“, das sind Worte, mit denen kann ich nichts machen als junger Mensch. Wenn mir jemand sagt, „das ist zu primitiv, die Art wie Du die Reihe hier verwendet hast“, dann kann ich damit etwas machen. Also von Dessau kamen immer Hinweise, auch im weiteren Verlauf, sehr wenige übrigens, meistens nur ein Satz, sehr spärlich, aber was er sagte, hatte hundertprozentig Hand und Fuß.
Als ich ein Stück anfing für Violine Solo,Entstanden Februar–April 1971. sagte er bloß: „Lassen Sie doch mal die Taktstriche weg.“ Taktstriche hat man nicht gebraucht für einen Geiger. Ich hab noch mal von vorne angefangen, das war wie eine Offenbarung. Das war das einzige, was er dazu sagte, abgesehen von manchen praktischen Sachen, aber das traf genau den Kern. Ich wollte überhaupt nicht mehr in dem herkömmlichen Takt schreiben, und das war bloß noch für mich damals etwas Äußerliches, also laß ich sie weg, und plötzlich kann etwas blühen. Das danke ich Dessau zutiefst, diese ganz wenigen, ganz nüchternen, ganz sachlichen und außerordentlich richtigen Worte, die ich sofort eingesehen habe. Das war eine Kritik, die Hand und Fuß hatte, wo man sofort sagen konnte, „Mensch, das machste nicht, fängst nochmal neu an.“ Das hat mich doch im weiteren sehr froh gemacht.
Auch ein sehr schönes Wort einmal: Ich habe ein Klaviertrio geschrieben, war grad mit dem ersten Satz fertig, das hat wohl drei, vier Monate gedauert oder länger und traf einen früheren Lehrer, dem sagte ich, „nee, das gefällt mir nicht, ich muß nochmal von vorn anfangen.“ „Ah, was wird Dessau dazu sagen?“ Und Dessau sagte dann bloß dazu: „Ah ja, ein gutes Zeichen! Fangen Sie nochmal an.“ Natürlich habe ich heute auch begriffen, als Student schreibt man einfach Musik und ist froh, wenn man was auf’m Papier hat. Und wenn ich sage, „nee, das bin ich nicht“, und ich ändere, dann wird klar, ich habe wirklich eine Vorstellung von meiner Musik. Und eben nicht das Erstbeste, was mir eingefallen ist, sondern gestaltet, bis ich es auf den Punkt bringe, wo ich sage, „gut, das bin ich.“ Und nicht, „ich will nicht nur irgendeine Musik und ein Stück, das klingt“, sondern eine ganz bestimmte Haltung. Also in dieser Weise hat mich Dessau dann die Jahre begleitet, das war schon sehr schön. Ja, diese ersten Begegnung hat, glaube ich, auch Dessau außerordentlich gefallen. Jetzt im Nachhinein würde ich denken, daß ich mich überhaupt nicht bemüht habe, ihm zu gefallen, sondern daß ich sehr barsch war und sehr, ja, voller Wut eigentlich um diese ganze Begebenheiten und mir sagte: „Es ist mir auch völlig egal, was der heute sagt.“ Und da kamen noch so Worte wie, daß er sagte: „Ah, Eisler! Großer Komponist!“ Und ich sagte: „Nee, Eisler verabscheue ich.“ Ich hatte Cello gespielt im Schulorchester, und da spielte man immer die Neuen Deutschen Volkslieder. Auch heute würde ich sagen, abgesehen von den Vierzehn Arten den Regen zu beschreiben mag ich Eisler nicht.
MT: Waren eigentlich schon 1969 diese wunderbaren kleinen Kunstlieder aus dem Exil bekannt?
JH: Weniger. Es war hauptsächlich das, was er dann in der DDR gemacht hat.
Paul Dessau hat dann gesagt, „ja, Sie können jederzeit zu mir kommen“. So bin ich zwei-, dreimal zu Dessau hingefahren, wurde wieder sehr schwer krank und hab mich ein, zwei Monate nicht gemeldet. Das war nicht ganz leicht, wenn man im Buchhandel arbeitet (normale Leute), ich war immer Beststudent, ich hab viele Auszeichnungen bekommen als Student, und dann plötzlich ist man so total verkracht. Das ist schon nicht ganz leicht; ich hab sehr viel gelernt. Damals hab ich zumindest gelernt, mich überhaupt um niemand mehr zu kümmern. Und seitdem interessiert mich die Welt nicht mehr so sonderlich. Und das hat Dessau wohl irgendwie gemerkt.
Dann bekam ich plötzlich ein Telegramm: „Habe für Sie die Aufnahme als Meisterschüler beantragt.“ Ich weiß jetzt nicht mehr ob ich wegen meiner Krankheit oder wegen anderer Dinge (ich war auch perplex) nicht geantwortet habe; und dann kam dann einen Monat später: „Was ist denn los, warum höre ich denn nichts von Ihnen!“ Kurz und gut hat Dessau das beantragt, und ich wurde Meisterschüler bei ihm, obwohl ich kein Examen bekommen habe. Ich habe erfahren, viel später, da war Dessau schon tot, daß er bei einer Sitzung des Komponistenverbandes in Berlin hingegangen ist und den Lehrer, der mich wirklich in übler Weise fertiggemacht hat (der war früher Offizier, und andere Leute hat er aus der Schule geekelt. Klaus Körner, wir haben zusammen Komposition studiert, den hat er so fertiggemacht, daß er mit Komposition aufgehört hat. Er war eben der Ansicht, man muß die jungen Leute so richtig fertig kriegen. Und er sagte auch zu mir: „Ich werde Ihnen zeigen, Sie können nicht mit dem Kopf durch die Wand!“ Worauf ich in jugendlichem Übermut damals sagte: „Ich will doch nicht mit dem Kopf durch die Wand, ich will die Wand einreißen.“ Ich muß gestehen, das sagt man nur, wenn man sehr jung und unbedacht ist) … Ja, und jedenfalls diesen Wolfgang Hohensee, den hat Dessau genommen; ich glaub, er hat das von Paul-Heinz Dittrich erzählt bekommen, mit mir hat er nicht drüber gesprochen. Dann soll er wohl zu Hohensee hingegangen sein, während einer Versammlung ihn angeschrieen haben: „Ja, Sie haben also meinen Lieblingsschüler fertiggemacht!“ und so, daß die anderen Leute ganz verdattert waren. Und der sagte, „bitte nicht hier!“, und jedenfalls seien sie dann aufgestanden und hätten sich draußen angeschrieen.
Ja, und da hieß es: „Sie können doch keinen Meisterschüler nehmen ohne Examen, das geht doch nicht.“ Ich weiß nicht ob’s stimmt, es wurde mir erzählt, er hätte gesagt: „Ich hab auch kein Examen,Dessaus Besuch des Klinworth-Scharwelka-Konservatoriums in Berlin ist belegt, ein Abschlußzeugnis o. ä. ist bisher nicht bekannt. und endlich will ich mal einen Studenten haben ohne Examen!“ Er setzte es durch, und um es gleich zu sagen, nach zwei Jahren beantragte er eine Verlängerung, und nach wieder einem Jahr beantragte er eine erneute Verlängerung (aber es gibt ja eigentlich nur eine Verlängerung). Er hat mir erzählt, er habe einfach auf einen Zeitungszettel geschmiert: „Für Herchet viertes Jahr.“ Und dann gab’s ein Gespräch mit Siegfried Matthus: „Wie sind ihre politischen Ansichten?“ „Ah, mit Politik will ich nichts zu tun haben. Das ist immer mit Gewalt, und Gewalt ist immer mit Dummheit. Und damit will ich nichts zu tun haben.“ Wobei man eben sagen muß, in der DDR war eine Haltung, die sich nicht mit Politik beschäftigt, eine höchst politische Haltung. Heute wäre das was ganz anders, heute würde ich das auch nicht mehr so sagen. Dessau hat das einfach durchgesetzt. Allerdings: „Wir machen ein viertes Jahr Verlängerung unter der Voraussetzung, daß kein fünftes Jahr kommt.“
Dessau hat einfach die Hand über mich gehalten. Ich glaube, ich bin auch der Typ von Komponist, er eigentlich gar nicht so sehr viel von außen braucht, sondern den man einfach gehen lassen muß. Alle Leute, die sieben Lehrer, die meisten, die wollten immer irgendwas machen mit mir, aber ich wachse von ganz alleine, langsam und bedächtig, es kommt einfach von ganz allein. Komischerweise hat Dessau, der so vital und lebendig war, das völlig gesehen und hat einfach mit seinen sachlichen, direkten Bemerkungen diesen Wachstumsprozeß enorm gefördert.
MT: Wenn Sie’s jetzt beschreiben sollten rückblickend, wo sind Sie hingewachsen unter dieser Hand?
JH: Zu mir. Bei Dessau war es so, daß ich eigentlich fast ausschließlich nach innen gegangen bin, dieses Vertrauen, das er mir entgegen gebracht hat, dazu benützt habe, einfach Vertrauen zu mir selbst zu haben. So sind diese ganzen Arbeiten der 70er Jahre fast ausschließlich gefühlsbetont. Also aus dem Gefühl heraus gewachsen, sehr melodisch (ich wollte Gesang studieren), und später sind dann auch rationale Verfahren hinzugekommen.
MT: Wenn Sie von Gefühl sprechen, wie hat sich in dieser großen Umbruchszeit, in dieser spannungsgeladenen Zeit Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre, wie hat es sich angefühlt ein junger Komponist, der avancierte Musik schreibt, zu sein?
JH: Wissen Sie, ich kann das nicht so sehr sagen. Weil ich die Umwelt einfach auf mich wirken lasse und dann mehr oder weniger unbewußt dazu reagiere. Also ich bin immer meinen ganz persönlichen Weg gegangen, bin nicht im Verband gewesen, bin immer sehr einzeln für mich gewesen und habe eigentlich nie gegen die DDR gekämpft oder so, das ist auch nicht meine Sache. Ich hab nur dafür gekämpft, daß ich meinen Weg gehen kann, daß sie mich alle in Ruhe lassen und daß ich das machen kann, was ich will. Und insofern, ich glaube unbewußt, heute zurückblickend, ist mir sicher auch enorm zugute gekommen, daß dieser Umbruch erfolgt ist, nicht wahr? Während der Zeit, da ich bei Dessau war, sprach mich dieser Parteisekretär aus dem Wohnort an (übrigens in ganz schmutziger Art und Weise, da bin ich also heute noch sehr böse). Dieser Mann sagte nur: „Können Sie nicht mal bei uns Cello spielen?“ Ich hab ja Cello studiert, und ich sagte, „das geht nicht, weil ich ja seit Jahren nicht mehr übe, und ich kann da nicht so dilettantisch irgendwo spielen, ich muß ein halbes Jahr üben, das kann ich nicht machen, weil ich im Augenblick komponiere“. So, und dann hat dieser Wohn-Parteimann einen Brief – vier Seiten wie mir Dessau gesagt hat – an Dessau geschickt; das hab ich auch erst später erfahren, Dessau hat kein Wort gesagt. Dieser Mann schrieb: „Wir haben ihn aufgefordert, lieber Genosse, einen Vortrag über Dich zu halten, und das hat er verweigert“. Davon ist nie die Rede gewesen! Dessau hat mir kein Wort gesagt, natürlich hätte ich das sofort gemacht, ist überhaupt keine Frage. Dessau sagte mir, „ja, die haben mir vier Seiten geschrieben, vier Seiten!“, sagte er immer wieder.
Und ich war auch wütend, denn damals konnte Dessau schon nicht mehr so gut sehen, ich selber hatte Bedenken, ihm meine Arbeiten immer vorzulegen. In dieser Zeit habe ich dann einen Pianisten, einmal für Bratsche oder einen Flötisten mitgenommen, die ihm das Stück vorgespielt haben, einfach weil er mit den Augen Schwierigkeiten hatte. Und dann schicken die ihm einen vierseitigen Brief! Dessau sagte, „wissen Sie, ich habe nur zwei Sätze geschrieben“ – leider weiß ich bis heute nicht, was das für zwei Sätze sind. Übrigens, die Sätze müssen ganz toll gewesen sein, denn von dem Zeitpunkt an haben die Leute mich total in Ruhe gelassen. Auf der Straße grüßten sie mich: „Guten Tag“ und kein Wort mehr! Früher wurde ich immer vollgepflaumt mit Schopenhauer und Marx, weil ich so Schopenhauer-begeistert war damals, und das war mit einem Schlag weg.
MT: Was hatten Sie für einen Kontakt zu den anderen Meisterschülern?
JH: Gar nicht, ich hatte nie groß Kontakt.
MT: Auch Besuche im Zeuthener Haus waren, wenn die anderen da waren, eher selten, oder wie haben Sie’s gehalten?
JH: Ich erinnere mich nur einmal. Ich weiß nicht mehr den Anlaß, ich weiß gar nicht mehr, ob … Ja, da war Dessau da, ich weiß noch, daß Schenker da war und Ruth BerghausDie Regisseurin blieb dem Meisterschüler auch nach dem Tod ihres Mannes als Regisseurin von dessen Komposition für das Musiktheater, nachtwache (nelly sachs; 1993), verbunden. und Goldmann, da waren alle Komponisten da, ein einziges Mal erinnere ich mich.
MT: Erzählen Sie ein bißchen …
JH: [lacht] Ich erinnere mich noch so schön – ich weiß nicht mehr den Anlaß, es könnte der Geburtstag von Dessau gewesen sein. Ich weiß nur noch zwei Dinge, die mir in Erinnerung sind, daß die Ruth Berghaus plötzlich sagte – sie fragte Goldmann etwas, und Goldmann sagte wohl, „ach, das weiß ich nicht, das kann ich nicht sagen“, irgendwie so etwas. Und dann sagte sie, „wenn der Frieder Goldmann mir’s nicht sagen will, dann gehe ich“, sagte sie, „dann geh ich eben zu dem Herchet, dann kann ich mit dem reden.“ Das war so ein Wort. Und ich weiß, daß Schenker mir dort erzählte (es handelt sich um ein Stück von mir für Oboe und Bratsche): „Die Musik hat mich richtig sexuell erregt“. Und Berghaus sagte: „Ach, sagen Sie das nicht“, und ich fand’s eigentlich ganz wundervoll, es war das größte Lob, was ich vielleicht bekommen habe [lacht]. Jedenfalls, dessen erinnere ich mich noch. Ich glaube, ich war nicht so gesellschaftlich, ganz vegetarisch, keinen Wein, nicht rauchen, was ich heute nicht mehr bin, ganz streng gelebt, so schroff, sehr, sehr streng und sicher auch sehr verklemmt, muß ich sagen, damals. Also insofern war ich nicht so oft dort, ich war dann eingeladen, als Dessau starb zu der Verbrennung. Da konnte ich nicht kommen, weil gerade an dem Abend war wohl die Bußkantate.DAS GEISTLICHE JAHR. bußkantate. kompositon für sopran, alt, bariton, chor, harfe, schlagzeug und orgel (jörg milbrad; 1979). Und da hatte sich Dessau wohl noch sehr gefreut, daß dieses Stück aufgeführt wird; obwohl’s ein kirchliches Stück war. Ja, und das würde ich Ihnen gern erzählen, das war wirklich sehr, sehr, schön, übrigens auch recht folgenreich für mich: Es gab dort einen großen Streit. Also erstmal gab’s die Todesanzeige nicht mit schwarz sondern mit rot, und es stand dann auch drauf, das erfuhr man erst in Berlin: „Keine Blumen; keine Kränze.“ Ich hatte so ein schönes Bouquet geholt, das war also nicht erwünscht. Was ich nun erfuhr, was hinter den Kulissen lief, war, daß Dessau testamentarisch angeordnet hatte: „Kein Staatsbegräbnis!“ Es gab da offensichtlich große Auseinandersetzungen mit Ruth Berghaus, die dafür eintrat, daß dieses Testament durchgesetzt wurde; und sie hat es wohl auch durchgesetzt – das muß sehr schwierig gewesen sein. Und jetzt hatte auch Dessau angeordnet, wer um sein Grab steht. Nono hatte damals wegen Krankheit abgesagt, aber es waren da: Henze, Burkhardt Glaetzner, Schenker, Goldmann, ja und ich. Könnten noch ein, zwei …Vgl. das Foto von der Beisetzung Paul Dessaus auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin am 5. Juli 1979 (von links nach rechts: Günter Neubert, Paul-Heinz Dittrich, Friedrich Schenker, Günter Mayer, Burkhard Glaetzner, Jörg Herchet, Friedrich Goldmann, Georg Katzer, Luca Lombardi, Christa Müller, Max Pommer, Hans Werner Henze, Reiner Bredemeyer, Albrecht Betz), Archiv der Adk, Berlin, Paul-Dessau-Archiv 2987; reproduziert auf dem vorderen Umschlag des Buches von Nina Noeske: Musikalische Dekonstruktion. Neue Instrumentalmusik in der DDR, Köln, Weimar und Wien 2007 (= KlangZeiten 3).
Bloß das Kuriose ging dann erst während der ganzen Handlung auf. Das waren ja alles Leute, die mehr oder weniger, sei es als Komponisten, wie Dittrich, fragwürdig für die damalige Zeit waren. Sei es Burkhard Glaetzner, der ja auch große Schwierigkeiten mit dem System gehabt hat, oder sei es eine Person wie ich. So standen wir alle dort, und jetzt liefen die Leute vom ZK (wer das war, weiß ich nicht) vorbei, es durfte nicht geredet werden, keine Musik und verbeugten sich nur schweigend vor der Urne. Und damit verbeugten sie sich natürlich auch vor uns (ich weiß es nicht, das ist jetzt meine Interpretation), sodaß man natürlich dadurch, wie soll ich sagen, einfach akzeptiert war; staatlich akzeptiert. Ohne Worte. Das hab ich erst sehr viel später verstanden. Fand ich doch sehr, sehr beeindruckend. Ich hatte dann noch die Gelegenheit, Henze kennenzulernen, aber unsere Beziehung ist nicht glücklich verlaufen, möchte ich sagen, von Anfang an schon nicht [lacht]. Na gut, weiß nicht, ob ich was dazu sagen soll.
MT: Ja bitte!
JH: Wir haben ein paar nette Worte gewechselt, aber es ging dann doch so, daß Henze mir verschiedene Angebote derart machte, daß er sagte: „Sie können bei mir veröffentlichen“. Er hatte damals ein Buch, Musik und Politik, herausgegeben.
Ich muß noch sagen, von einer Dresdener Tageszeitung wurde ich aufgefordert, ein kleines Portrait von Paul Dessau zu geben aus meiner Sicht, da habe ich die Gelegenheit genützt, daß ich erst einmal überall gesucht habe, wo ich von Paul Dessau ein paar schöne Zitate finde, die ich gern sagen möchte. Und ich habe (also nicht daß ich mich angepaßt hätte) sehr freundliche Worte gesagt, wo niemand mir etwas anhaben kann. Bei Dessau habe ich alle die Zitate genommen, die gegen den Staat sind. Also: „Ein Künstler muß ein Werk schaffen, weil es in ihm drin ist, wie das Ei in der Henne. Es kommt einfach heraus.“ In einer Welt, die ideologisch total zu ist, ist es unmöglich so etwas zu sagen, man schafft ja im Auftrag der Partei, primitiv gesagt. Ich glaube, jemand der aus dem Westen kommt, würde sagen, „na ja, was soll das“. Auf jeden Fall, alle Freunde, die es lasen, haben sofort verstanden; in der DDR las man sofort zwischen den Zeilen. Und Henze wollte das sehen, ich schickte es ihm auch, und dann hat er geschrieben: „Ja, also was unser lieber Freund Paul Dessau da sagt, in Ihrem Aufsatz, das kann man nicht akzeptieren, aber was Sie sagen, das ist sehr schön, bitte schreiben Sie einen Aufsatz, aber wesentlich größer und umfassender“. Nu ja, und das wollt ich nicht und hab das also abgelehnt; da war er wahrscheinlich etwas sauer. Mir war dieses Art von Henze zu befremdlich, ich wollte auch nicht in seinem Gefolge auftreten, find’s auch gut heute, sehr gut.
Ja, eine andere sehr freundliche Begegnung war mit Frau Lotte Klemperer. Kurz darauf, (1979 starb Dessau), war ich in die Schweiz eingeladen, nach Boswil (1980/81), mehrfach für einen Arbeitsaufenthalt. Ich habe sie dann auch besucht, und sie hat sich ganz liebevoll (offensichtlich hat Ruth Berghaus mit ihr gesprochen) um mich gekümmert. Wenn man so aus der DDR kommt: Ich war sehr, sehr arm. Über Jahre lang habe ich von nicht mehr als 100, 120 Mark im Monat gelebt; gut aber das ist kein Problem, das war eine schöne Zeit für mich, trotzdem. Und sie ging dann mit mir in die Schallplattengeschäfte, in die Bücherläden und sagte: „Bitte, wählen Sie sich aus, wir haben hier 500 Schweizer Franken, die sind für Sie. Kaufen Sie sich, was Sie wollen. Sie guckte zwar dann, als ich Messiaen wählte, das war in diesen Kreisen nicht so erwünscht, aber ich liebte und liebe Oliver Messiaen auch heute noch. Und dann kaufte sie mir die Mehrzahl der Bücher von Samuel Beckett, die ich sehr schätzte, und das war schon sehr, sehr schön. Ich war sehr glücklich und bin ihr heute noch zu großem Dank verpflichtet. Das ist schön, wenn man dann nach Westen kommt, und dann auch so eine persönliche Beziehung hat.
MT: Ich frage noch mal ein bißchen nach zum Thema Kirchenmusik in der DDR. Ein gottesfürchtiger Mensch in einem Staatsatheismus, wie geht das, was passiert da?
JH: Oh, es passiert etwas ganz, ganz wunderbares. Ich rede jetzt nur von mir persönlich. In vielen anderen Fällen ist es anders verlaufen, sehr hart. Sehr hart! Warum es bei mir so verlaufen ist … Also am Ende meines Lebens möchte ich eine Kantate schreiben „Wir wissen aber, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum besten dienen.“ Ich bin immer runtergefallen und eine Treppe höher gekommen. Ich bekam kein Examen, und was war das Endergebnis? Paul-Heinz Dittrich erzählt’s Paul Dessau, und Dessau sagt: „Ich mache ihn zu meinem Meisterschüler.“ Ich schreibe ein Werk mit Worten des Johannes vom Kreuz in freier und moderner Nachdichtung, ein großes Orchesterwerk. Ich hatte schon die Musiker, und dann kommt der Staat, sagt: „Nee, wird nicht aufgeführt“. Johannes vom Kreuz, 16. Jahrhundert, großer Heiliger, den ich sehr liebe und verehre, sehr strenger, sehr asketischer Mann, aber auch ein ganz großer Dichter, also wirklich wundervoll und ganz wenig. Ja gut, und dann tritt der Staat ein: „Kommt nicht zur Aufführung“. Und dann passiert es: Das Werk liegt in der Landesbibliothek, Dr. [Wolfgang] Reich hat es dort angekauft, und dann kommt Heinz Holliger hierher, weil er in der Landesbibliothek die ganzen Autographe von Jan Dismas Zelenka sucht. Und natürlich sagt der Dr. Reich; „Schauen Sie doch mal ein paar neue Noten an“. Er schaut sich’s an, empfiehlt es weiter, und jedenfalls ein Jahr später kommt die Uraufführung in Donaueschingen. Ohne daß ich auch nur den kleinen Finger gerührt habe; ich hatte es schon aufgegeben. Und so ist es eigentlich mein ganzes Leben gewesen! Ich muß noch dazu sagen, ich komm kurioserweise aus einem Elternhaus: Mein Vater war katholisch, ist früh ausgetreten, meine Mutter war evangelisch, ist auch ausgetreten, und für mich kam immer dieses (also ganz im Gegensatz zu Paul Dessau, vielleicht aber auch nicht) Dreigestirn: „Du müßtest Arzt werden.“ (Wunsch von meiner Mutter), „dürftest Pfarrer werden – oder Musiker“. Ich hab letztlich im Musikberuf immer etwas von all den dreien gesehen. Vielleicht habe ich auch da mit Paul Dessau übereingestimmt, der nämlich immer ganz klar sagte: „Ach wissen Sie, ich bin nicht der Ansicht von Strauss/Hofmannsthal, daß Musik eine ‚heilige Kunst’ sei (Ariadne auf Naxos), „ich finde, Musik sollte eine heilende Kunst sein!“ Also da würde ich sofort zustimmen.
Dadurch, daß ich nicht aus kirchlichem Hause komme, überhaupt nicht, sondern mich bereits als Kind (es mag eine gewisse Opposition zum Vater oder zum Staat gewesen sein) von Anfang an für die religiöse Ausbildung restlos begeisterte und mich das so besonders angezogen hat, war das dann wieder sehr schwierig, da ich deswegen nicht auf die Oberschule kommen sollte. Aber da war mein Klassenlehrer, der selber sehr christlich war. Ich hatte sehr gute Zensuren, und er hat das irgendwie hingekriegt. So ist es mein ganzes Leben gegangen – und am Ende war ich doch dort. Unter großen Schwierigkeiten. Er war bei den Eltern und sagte: „Wissen Sie, das hätte fast nicht geklappt“. Rektor und Rektorat, alle wollten nicht: „Der soll nicht zur Oberschule gehen“. Am Schluß klappte es immer. Und so ging’s eigentlich jedes Mal weiter. Also mit größten Schwierigkeiten, und Paul Dessau ist einer der ganz besonderen Begegnungen. Ich bin manchmal sehr (ja vielleicht) stur, ausgesprochen stur. Wenn ich irgendwie finde, „das ist richtig“, dann sag ich, „lieber gehst Du unter“. Dann gebe ich auch nicht nach, bis ins Letzte. Ja, und nur aufgrund dieser Bewegung, dieser Haltung bin ich Paul Dessau begegnet. Ich wäre sonst nie zu Paul Dessau gekommen, wenn ich das Examen bekommen hätte. Die Hochschulleitung hat auch Angebote gemacht: „Wir geben Ihnen eine schöne Stelle, und Sie kriegen das und das“. Das wollten die natürlich auch nicht wahrhaben, daß so eine Diplomarbeit an Ihrer Hochschule entsteht. Sie wissen, wie das ganze Gefüge war. In Dresden kam, unglücklicherweise als ich grade eine extrem harte und schwere Beurteilung bekommen hatte, das Ministerium dazu, zufällig. Dann landeten diese ganzen Beurteilungen beim Ministerium, die verfolgten das dann alles. Da hat die ganze Hochschule einen Rüffel bekommen, inklusive Rektorat. Wie das so ist, das war dieses System. Und wenn man so unbekümmert immer weitergeht, natürlich war’s dann auch in dem Moment sehr hart zurückzufahren. Wenn Sie nach Hause kommen, und die Eltern fragen (meine Eltern waren nicht begeistert, daß ich Künstler werde), und Sie sagen: „Nee, ich hab kein Examen bekommen, alles war umsonst.“ Ich komme aus sehr armem Hause. Aber gut ein Jahr später kam es zur Begegnung mit Dessau.
Dieses eine oder andere Werk, was ich geschrieben hatte, hatte in der DDR absolut keine Chance der Aufführung. Der Rundfunk hat fast nie etwas aufgenommen. Es kam die Aufführung der Orchesterwerke, aber eine gute Aufnahme davon habe ich nie bekommen. Einmal bei einer Kantate hatte ich den Rundfunk gebeten. „Nein, alle Wagen sind außer Haus.“ Dessau hat sich zwei-, dreimal eingesetzt für mich, daß ich bei der Komischen Oper eine Aufführung bekam. Dieses Stück für Oboe und Sopran, daß das auf Schallplatte kam,Schallplatte: NOVA 885 116. daß das Stück für Flöte und Orchester auf Schallplatte kam,Schallplatte: NOVA 885 158. das war alles nur Dessau zu verdanken. Ich hatte damals niemanden im Verlag, habe mich auch nie um einen Verlag bemüht.Ein Großteil, gerade der früheren Arbeiten, liegt im Manuskript in der Musikabteilung der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden. Ich war von vorneherein darauf eingestellt: „Du mußt Deinen Weg allein gehen.“ Und wenn ich alles alleine mache, ich schreib auch die Stimmen alle aus, und alles mach ich selber, dann ist es sicher, dann kann ich garantieren, „es kommt!“ Und ich hab bloß ein paar Klavierstunden gehabt, mein ganzes Leben war nur für die Musik.
Gut daß mir’s jetzt einfällt, das hab ich auch erst hinterher erfahren: Einmal kam Bernd Pachnicke, der Leiter des Peters-Verlages, zu Dessau und wollte Orchesterwerke haben. Ich glaube Meer der Stürme war das grade, und da sagte Dessau zu ihm, „Sie kriegen das nur, wenn Sie was von dem Herchet nehmen.“ Und dann kam Peters plötzlich zu mir, und sagte, „wir möchten das und das sehen, und wir möchten das und das drucken“.Ab 1972 erscheinen neben den genannten mehrere Kompositionen von Herchet bei Edition Peters. Bemerkenswerterweise befinden sich darunter bis 1989 alle Stücke aus dem Zyklus DAS GEISTLICHE JAHR. Und dann kam noch dieses Irrsinnige, wirklich heute kaum Verständliche: Der Peters Verlag hatte ja wohl 20–30 Partituren pro Jahr Neue Musik, und das konnten sie entscheiden. Und dann waren einige Lektoren dort, die sagten, „ach, machen wir den Herchet; machen wir mariens tempelgang, machen wir bußkantante.“ Und ich habe wieder andererseits gehört, in Berlin an der Humboldt-Universität haben die Leute gesagt: „Das müssen wir aufhalten“. Wo grade der Staat nicht wollte, daß ein DDR-Komponist Geistliche Musik macht. Sicher, man muß auch sagen, das war dann erst möglich nach 1970. In den 50er Jahren, glaube ich, wäre diese Haltung von mir wahrscheinlich auch mit einem Paul Dessau nicht geglückt.
MT: Von Dessau haben Sie sicher einiges mitgenommen, aber was hat Sie besonders interessiert daran, wenn es Sie interessiert hat?
JH: Ja, also ich muß schon gestehen, daß Dessau eine sehr andere Welt war. Der Lukullus, der hat mir sehr gefallen, in Dresden gab’s ihn auch; der hat mich sehr berührt, obwohl’s doch eine sehr andere Welt war, grade als damals die meine. Also heute wär’s mir eigentlich sehr, sehr viel näher; die gewisse Kühle und die Distanz. Ja, ich hab auch das andere gesehen, auch den Puntila und sehr oft, vielfach Lanzelot, ja Grasmücken-Stücke …
Was mich da besonders fasziniert hat, war ein Quintett für Bläser ohne Flöte und Klavier, wo dann auch Dessau zu mir gesagt hat (es ist ein Spätwerk, ist so gut wie in den letzten zwei Jahren geschrieben): „Nie bin ich so verlassen gewesen von Musik wie hier“. Und damals hab ich’s gar nicht verstanden; heute kann ich’s schon so ein wenig besser verstehen. Das hat mich sehr berührt, womit ich also immer ein bißchen Schwierigkeiten habe, ist die Verbindung mit Brecht. Bei aller Bewunderung für den Lukullus, aber diese gewisse Kühle, also da neigte ich mehr zu der Wagnerschen Art, hab auch sehr spät diesen Schritt von Wagner zu Weill/Dessau/Eisler (zu Eisler eigentlich nie) mitvollzogen. Besonders gefallen hatten mir natürlich die Orchesterwerke, Meer der Stürme, da hab ich die Uraufführung erleben dürfen.
MT: Wie war das, sagen Sie einen Satz dazu. Sie sind der erste Uraufführungsteilnehmer, den ich spreche. Wie fand das Publikum das.
JH: Daran kann ich mich gar nicht so erinnern; ich glaube weder noch. Gab’s nicht auch ablehnende Stimmen? Ich weiß nur, daß der Chorleiter, ein sehr politischer Mann, Herr [Fritz] Höft, dann das Wort sagte: „Das war eine Scheiße!“, so ganz wütend. Ich fand das sehr interessant. Es ist sehr ungestüm, sehr wild. Mir haben aber natürlich auch sehr die Bach-Variationen … Im Zusammenhang mit der vierten Orchestermusik weiß ich noch, wie Dessau zu mir sagt: „Der Bach hat ja ein wunderschönes Stück geschrieben, warum soll ich denn da extra was neues schreiben? Dann nehm’ ich halt das“.
Vielleicht ist es am besten so gesagt, daß Dessau in diesen wirklich vielen großen Werken für mich auch unerhört provozierend war. Und zwar in einem durchaus positiven Sinne. Daß es etwas gibt, was ganz, ganz anders ist als ich, was ganz, ganz anders verläuft. Ich hatte einmal, gleich als ich zu Dessau kam, Gebete um den toten Bräutigam nach Nelly Sachs geschrieben, mit zwölf Instrumenten; sieben oder acht Stücke, ein sehr zartes Stück – punktuell und so weiter. Bei einer Stelle kam eine laute, eine fortissimo Posaune an einer ganz lyrischen Textstelle, und da sagt er : „Was soll denn das hier, das ist ja wie ein Abortdeckel, der plötzlich zuklappt!“ Ich fand das sehr, also diese Art des Umgangs mit Musik fand ich sehr, sehr lustig. Er hat das sicher sehr bedacht gesagt und hat auch aufgepaßt, daß ich nicht zu verletzt war. Aber komischerweise, bei ihm war das so offen, so klar, und er hatte nie diesen abfälligen Ton. Es war immer eine ganz unmittelbare persönliche Äußerung, und das war auch seine Musik. Und deswegen, ich kann vielleicht nicht sagen, daß ich so ein begeisterter Anhänger war, aber ich hab mich mit dieser Musik einfach auseinandergesetzt. Und das ist auch für mich sehr gut gewesen. Dann in den 80er Jahren hab ich mich auch viel mit Strukturen auseinandergesetzt und gearbeitet –, auch mit Zahlen, was früher eher so ein Gefühl war.Vgl. die aufschlußreichen Analysen in Christoph Sramek: „die töne haben mich geblendet“. Festschrift zum 60. Geburtstag des Dresdener Komponisten Jörg Herchet, Altenburg 2003; beispielsweise ders.: Vom unbewussten zum bewussten Kontrapunkt. Paralipomena zu Jörg Herchests „komposition 1 für orchester (I/II)“, a. a. O., 120–128. Und ich glaube, würde ich heute sehen, daß die Auseinandersetzung mit dem Werk von Dessau mich auch dahin geführt hat. Es war einfach ein Punkt ganz und gar außerhalb mir gegenüber, den ich aber sehr geschätzt hab, und es ist ganz wundervoll, daß man mit Dessau so offen reden konnte. Ich erinnere mich noch, wie Dessau mir ein freundliches Wort sagte, als er diese Gebete um den toten Bräutigam, mit vielen Pausen, extrem viel Pausen sag, sagte er: „Ah, wissen Sie, das hab ich jetzt von Ihnen gelernt, und das mach ich in meiner Musik auch mal. Nicht so sehr viel wie Sie, aber auch.“ Also da war er unerhört freundlich. Ein Gegenüber, das grade so einem etwas verklemmten, verschüchterten jungen Menschen, der irgendwie nicht weiß, wo und wie er einen Platz findet, einen gewissen Boden unter den Füßen zu gibt. Mit ganz kleinen freundlichen Gesten. Das erinnert man sich vielleicht selten, aber verstehen Sie, das schafft eigentlich Leben, damit kann man Leben, mit diesem Vertrauen.
[Themenwechsel: Gebrauchsmusik]
Dessau nahm das zum Anlaß und sagte zu mir: „Hören Sie mal, haben Sie mal was für Blasorchester geschrieben?“ „Nein“. „Gut, schreiben Sie was!“ Und dann hab ich eine Beethovensonate schreiben müssen, das war grad am Anfang meiner Lehrzeit bei ihm, und dann schrieb ich, das war eine andere Beethovensonate, langsamer Satz, d-moll opus 10, ich glaub die dritte [singt] und dann dieser langsame Satz [singt], sehr gut geeignet, und dann hatte man diese ganzen Passagen [singt] mit Saxophonen, mit Flügelhörnern. Er ließ auf seine Kosten die Stimmen schreiben und ließ das Stück aufführen bei dem Blasorchester der Nationalen Volksarmee, und sagte: „Für die ist das auch sehr gut, daß sie so etwas mal spielen müssen!“ Dann haben sie also einen Vormittag eine Probe gemacht und haben das Stück dort aufgeführt. Ganz wundervoll für mich, verstehen Sie, das ist diese andere Art im Gegensatz zum Studium, wo immer so viel blödes Zeug geredet wurde über Musik. Und da kommt er ganz sachlich und sagt: „So, und jetzt hörst Du mal Blasorchester.“ Also ich hab einen ganz anderen Begriff bekommen von Flügelhörnern, von Saxophonen und von dem, was es da in so einem Blasorchester gibt – für mein ganzes Leben. Das ist eine Erfahrung, die man einfach dann gehörsmäßig hat, auf der man ein ganzes Leben aufbauen kann.
MT: Unterricht, war das Stücke angucken, was Sie mitbrachten?
JH: Ja, auch hier kann ich jetzt nur von mir aus sprechen, und ich bin, durch meine Erziehung her, ziemlich streng auf Pünktlichkeit und Korrektheit erzogen, und kam also immer ganz pünktlich. Und Dessau sagte, „einmal im Monat“, und dann sagte er immer zu mir, „ach hören Sie zu, kommen Sie doch dreimal die Woche und ein halbes Jahr gar nicht. Kommen Sie so, wie sie’s wollen.“ Ich weiß nicht, ob ihn das ärgerte oder aufregte, daß ich mich immer ganz pünktlich um den 20. herum anmeldete. Einmal hab ich mich angemeldet, und er war nicht da. Ich mache heute mit Ihnen eine Wette, er wollte mir mal zeigen, „kommen Sie doch mal außer der Regel!“ Und das war auch sehr gut, so etwas brauchte ich schon. Trotzdem kam ich dann, und er hat das wohl immer akzeptiert. Als ich mich einmal bei ihm bedankte für den Unterricht, sagte er: „Was wollen Sie denn, es gibt doch bloß Kaffee und Kuchen bei mir“. Den gab’s in der Tat, immer 16 Uhr, vorher ruhte er immer. Ja, dann kam er, sah sich die Sachen an, und dann hat er viel mit mir gesprochen über ganz allgemeine Dinge. Also über Kunst, über Boulez, über einzelne Künstler, über Musik, die ich gehört hab. Er hat mir auch am Anfang gesagt: „Ach bitte, Sie müssen Marx Das Kapital lesen“ Hab ich auch gemacht, allerdings fand ich gleich am Anfang (nicht was falsch war, wenn ein Philosoph eine ganz bestimmte Richtung anriß und manche Sachen außer acht läßt), er schreibt also nur von den Bedürfnissen. Aber er schreibt nicht, ob die Bedürfnisse nötig sind. Diese Unterscheidung, die ich schon gelernt hatte, denn nach dem Studium hab ich mir gesagt: „Je weniger Bedürfnisse Du hast, je ärmer Du leben kannst, umso unabhängiger und freier bist Du.“ Wenn ich eben von einem bißchen Klavierunterricht mit 100, 120 Mark im Monat leben kann, brauche ich weder den Verband [der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR], keinen Staat noch sonstjemand. Und man ist dadurch unerhört frei und unabhängig, nicht wahr? Also diese Prämisse hat Marx nicht gesetzt, und als ich das Dessau sagte, sagt er, ach wissen Sie, das beachtet er auch nicht. Da ließ er ab davon. Er merkte eben, der Marx war nichts für mich, und das war auch gut dann. Dann empfahl er auch andere Bücher zu lesen, oder andere Auseinandersetzung, da sprach er auch über seine Musik bei jeder Aufführung, da konnte ich auch ganz offen und kritisch sein, und das war ich auch sicher manchmal bis zur Grobheit. Nur wenn man etwas über sein Frau sagte … Als ich sagte, daß mir die Inszenierung Freischütz von Ruth Berghaus nicht gefalle, da brach er dann sofort ab. Bloß heute gefällt sie mir, also ich find Sie dann heute noch nachträglich ganz wunderschön, aber das war damals für mich zu neu und fremd. Über Ruth Berghaus durfte man nichts schlechtes sagen, ich meine auch nichts Kritisches, da war er sehr sensibel. Ja, ansonsten sah er sich meine Stücke an, da hab ich jedesmal gestaunt drüber. Ich hätte mir gewünscht, aber ich komm wohl als Lehrer nie so weit, daß man mit so kurzen Blicken ganz Wesentliches erkennt. Dieses kleine Stück für Posaune, Bariton und Orchester, das ich zu ihm mitbrachte: Sehr interessiert las er das, und plötzlich hielt er so auf der zehnten oder zwölften Seite inne und sagte: „Wie lang haben Sie an diesen zwei Seiten geschrieben?“ Und tatsächlich war’s genau die Seite, wo ich etwa drei Wochen an zwei Seiten geschrieben hab und zwar immer den ganzen Tag. Ich hab mindestes 10, 20 Entwürfe, das war eine sehr kammermusikalische Stelle, wo sich das Ganze, 10, 15 Instrumente aus der Tiefe in die Höhe bewegte und zum Xylophon überging. Und das war für mich auch damals ganz neu, und ich hab immer wieder gearbeitet, wie gesagt zweieinhalb Wochen, weiß ich, an diesen zwei Seiten geschrieben, und Dessau kommt, liest und sagt sofort, ohne daß ich ein Wort gesagt hab: „Wie lang haben Sie denn daran gearbeitet?“ Und das passierte eigentlich immer. Das ist natürlich sehr, sehr schön.
Anmerkungen
- Gemeint ist interfragmentarium zum werk von franz k. für Klavier und alt (Günter Kunert; 1965). Vgl. das Werkverzeichnis bei Christoph Sramek: „die töne haben mich geblendet“. Festschrift zum 60. Geburtstag des Dresdener Komponisten Jörg Herchet, Altenburg 2003, 311–322.
- Vgl. Christoph Sramek: „die töne haben mich geblendet“. Festschrift zum 60. Geburtstag des Dresdener Komponisten Jörg Herchet, Altenburg 2003.
- komposition für alt, tenor und orchester nach johann christian friedrich hölderlin (Mnemosyne) aus dem Jahr 1967.
- Stefan Amzoll (Hg.): Landschaft für Schenker, Berlin 2002.
- Entstanden Februar–April 1971.
- Dessaus Besuch des Klinworth-Scharwelka-Konservatoriums in Berlin ist belegt, ein Abschlußzeugnis o. ä. ist bisher nicht bekannt.
- Die Regisseurin blieb dem Meisterschüler auch nach dem Tod ihres Mannes als Regisseurin von dessen Komposition für das Musiktheater, nachtwache (nelly sachs; 1993), verbunden.
- DAS GEISTLICHE JAHR. bußkantate. kompositon für sopran, alt, bariton, chor, harfe, schlagzeug und orgel (jörg milbrad; 1979).
- Vgl. das Foto von der Beisetzung Paul Dessaus auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin am 5. Juli 1979 (von links nach rechts: Günter Neubert, Paul-Heinz Dittrich, Friedrich Schenker, Günter Mayer, Burkhard Glaetzner, Jörg Herchet, Friedrich Goldmann, Georg Katzer, Luca Lombardi, Christa Müller, Max Pommer, Hans Werner Henze, Reiner Bredemeyer, Albrecht Betz), Archiv der Adk, Berlin, Paul-Dessau-Archiv 2987; reproduziert auf dem vorderen Umschlag des Buches von Nina Noeske: Musikalische Dekonstruktion. Neue Instrumentalmusik in der DDR, Köln, Weimar und Wien 2007 (= KlangZeiten 3).
- Schallplatte: NOVA 885 116.
- Schallplatte: NOVA 885 158.
- Ein Großteil, gerade der früheren Arbeiten, liegt im Manuskript in der Musikabteilung der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden.
- Ab 1972 erscheinen neben den genannten mehrere Kompositionen von Herchet bei Edition Peters. Bemerkenswerterweise befinden sich darunter bis 1989 alle Stücke aus dem Zyklus DAS GEISTLICHE JAHR.
- Vgl. die aufschlußreichen Analysen in Christoph Sramek: „die töne haben mich geblendet“. Festschrift zum 60. Geburtstag des Dresdener Komponisten Jörg Herchet, Altenburg 2003; beispielsweise ders.: Vom unbewussten zum bewussten Kontrapunkt. Paralipomena zu Jörg Herchests „komposition 1 für orchester (I/II)“, a. a. O., 120–128.